Mit dem Rezept für Entenbratwurst
Diesen Beitrag über Grünkohl hatte ich vor 12 Jahren bereits einmal veröffentlicht. Seither ist viel Zeit vergangen und ich habe ihn überarbeitet und ergänzt. Darum aufs Neue:
Wenn die Tage kürzer und kälter werden, beginnt für viele Norddeutsche eine kulinarische Hochsaison: Die Grünkohlzeit wird eingeläutet. Sobald sich der Grünkohl durch die niedrigen Temperaturen in den Nächten auf den Winter einstellt, kann das Gemüse nach Mitteilung des Landvolk-Pressedienstes geerntet werden. Zwar ist der Grünkohl über Norddeutschland hinaus wenig bekannt, doch wo man ihn kennt, wird er aber gebührend gewürdigt und „Grünkohlessen“ ist weit über die Grenzen dieser Region hinaus ein Begriff. Grünkohl ist die traditionelle Leib- und Magenspeise vieler Norddeutscher. Das liegt aber auch daran, dass beim traditionellen Grünkohlessen nicht nur gegessen wird. Nach altem Brauch fließen auch immer Korn und Bier in Strömen. Mit dieser flüssigen hochprozentigen Hilfe „kürt“ oder wie man ganz weit oben im Norden sagt, „snackt“ ein jeder Gast bei diesem Anlass auch mal Plattdüütsch, obwohl es nicht mehr alle beherrschen. Nebenbei bemerkt: Plattdeutsch, oder wie es in der Amtssprache heißt, hat den Status als geschützte Regionalsprache und findet wieder immer mehr Freunde.
Aber zurück zum Herbst und beginnenden Winter. In Niedersachsen finden dann die ersten Kohlfahrten statt. In lustiger Runde werden die Freunde, Nachbarn, Vereinsmitglieder, Kollegen oder Verwandten mit dem Bollerwagen, ohne das Ziel zu kennen, durch die Kälte geführt. Zwei bis drei Leute aus der Truppe, meistens aber die beiden Kohlkönige des letzten Jahres, planen vorweg diesen Tag und nutzen dazu auch gern ein paar Umwege. Jeder erhält zu Beginn eine Brezel um den Hals als Wegzehrung, falls dem einen oder anderen der Magen knurrt. So hängt daneben günstigerweise auch gleich ein kleines Schnapsglas, das alle paar Meter gefüllt wird. Schummeln ist hierbei ratsam, damit die Chance steigt, noch einigermaßen nüchtern im Lokal der Wahl anzukommen. In guter Tradition wird nach dem Grünkohlessen so manche Runde ausgeschenkt: Klare Schnäpse sollen geraderücken, was unverrückbar im Magen drückt. In eisbeschlagenen Gläsern schwappen träge Aquavit, Kümmel oder Korn. Das funktioniert natürlich nicht, macht aber gute Laune. Wohlsein und prosit! Und es lebe der König! Denn im Wirtshaus wählen die Grünkohl-Wallfahrer zu vorgerückter Stunde oft einen Grünkohlkönig aus den eigenen Reihen. Einzige Aufgabe des Königs: dem Wahlvolk einen weiteren Schnaps auszugeben, bevor die Gesellschaft heimwärts wankt.
Während auf dem flachen Land, der Grünkohlkönig aus den eigenen Reihen gewählt wird, gibt es aber in manchen Städten (z.B. in Osnabrück) die Tradition, diese Würde an Prominente aus Wirtschaft, Unterhaltung, Politik oder Sport vergeben.
Noch unterschiedlicher sind aber die regionalen Beilagen. Das reicht von Grützwurst, Bregenwurst, Lungenwurst bis zum Kaninchen oder ersatzweise Knacker oder Wienerle als Weihnachtsessen in Berlin.
Das krausblättrige Saisongemüse trägt viele Namen, als Friesenpalme, Blatt-, Braun-, Feder-, Pflück- oder Grünkohl kommt es auf den Markt, oft in imposanten Plastiksäcken, entrappt, der dicksten Stängel entledigt und schon vorgeputzt. Beim Garen fällt der Grünkohl ähnlich dramatisch zusammen wie Spinat, darum darf es beim Einkauf gerne ein großer Beutel sein. Vor dem Verzehr ist ein ausgedehnter Winterspaziergang zu empfehlen: So gesund Grünkohl mit seinen hohen Anteilen an Kalzium, Magnesium und Vitamin C ist, so herausfordernd ist die klassische Art ihn zu servieren.
Traditionelle Beilagen zu dem mit ordentlich Schmalz angesetzten Kohl sind geräucherte, fettschwitzende Schweins- und Grützwürste, gepökeltes Fleisch, Schweinebauch und gekochte Schweinebacken. Letztere sind wohlgemerkt keine zarten Wangen, sondern Stücke vom Hinterteil der Sau. Grünkohl wird, leicht ergraut, aber saftig, in würzigem Kochsud serviert. In manchen Gegenden wird der Sud mit einer geriebenen Kartoffel oder Haferflocken leicht gebunden; lassen Sie sich sagen, das ist fies, das ist bahh! Dazu gibt es Brat- oder Salzkartoffeln und scharfen Senf und auf den Grünkohlbergen ruhen die bereits erwähnten regionale Wurstspezialitäten, Kasseler, Backe und Bauch.
Nicht nur Niedersachsen, sondern auch das Ruhrgebiet und das Münsterland wird zur rechten Jahreszeit Grünkohlland. Im Ruhrgebiet isst man ihn liebsten „durch“ – also als Eintopf mit Mettwurst, Kassler Rippenspeer oder Mettendchen. Das ist Ruhrgebiet ist ein Eintopfland. Jeder Eintopf immer gleich und doch immer wieder anders. Kartoffeln, Fleisch und vor allem Gemüse köcheln gemeinschaftlich vor sich hin. Das hat seinen Ursprung darin, dass man in frühen Zeiten nur eine einzige Feuerstelle hatte und deshalb auf das Kochen in einem Pott angewiesen war. Erbsen, weiße oder grüne Bohnen, Linsen, Sauerkraut, Stielmus, Möhren mit Speck und Grünkohl mit Fleisch und Kartoffeln verfeinert mit verschiedenen Gewürzmischungen, die das Geheimnis der Hausfrau blieben. Das niederländische Pedant ist der Boerenkoolstamppot. Er kommt dem Ruhrgebiets-Eintopf sehr nahe. Der Boerenkoolstamppot wird mit der Gelderse Rookworst (Gelderländische Räucherwurst) angerichtet.
Eintopf ist Alltagsessen. Bei besonderen Gelegenheiten wird Grünkohl klassisch serviert: so eine Grünkohlplatte wird dann auch schon mal die „Paella des Bergmanns“ genannt, wie Genussbereit sie in seinem Blog nannte. Diese Bergmanns Paella wird nicht in den Wintermonaten in den Billighotels auf Malle serviert, sondern ist der gute alte westfälische Grünkohl mit Salz- oder Bratkartoffeln. Das Besondere daran ist, ihn krönt nicht nur eine schnöde Bratwurst oder ein einsames Mettendchen, sondern eine kleine Schlachtplatte ganz besonderer Art: butterzarte Schweinebacke, knackige Bratwurst, Kassler, herzhafte Mettwurst, gebratene Blutwurst und knuspriger Speck.
Zutaten für den Grünkohl
1 kg Grünkohl, Salz, 2 Zwiebeln, 2 EL Gänseschmalz, Pfeffer, 250 ml Gemüsebrühe
Zubereitung
Ich kaufe am liebsten geputzten Grünkohl, ansonsten die Blätter vom Strunk lösen, dicke Rippen und unschöne Stellen herausschneiden und hacken.
Die Zwiebeln schälen und hacken. Das Schmalz in einem Topf erhitzen und die Zwiebeln darin andünsten. Den Grünkohl zugeben und unter Rühren mitschmoren. Die Brühe angießen, den Kohl mit Salz und Pfeffer würzen. Etwa 25 Minuten köcheln.
Das Fleisch wird auf dem Grünkohl gegart, der Speck in der Pfanne zusammen mit der Blutwurst gebraten. Mit Salzkartoffeln servieren.
Als Besonderheit gibt es bei mir dazu hausgemachte Entenbratwurst.
Zutaten
1000 g Entenbrust, 2 EL Gänseschmalz, 1 Apfel (möglichst Boskop) geschält und in feine Würfel geschnitten, 2 Schalotten in feine Würfel geschnitten, Majoran, Petersilie fein gehackt, Salz, Pfeffer
Zubereitung
Den Boskop und die Schalotten mit dem Majoran in Gänseschmalz dünsten, bis alles weich ist, aber nicht gebräunt. Danach im Kühlschrank herunterkühlen.
Das Entenfleisch würfeln und mit der Apfel-Zwiebelmasse vermischen und mit Salz und Pfeffer würzen.
Erst durch die grobe Scheibe vom Wolf drehen, dann durch die feine Scheibe und mit der Wursttülle in die Därme füllen (ich nehme Schafsdärme Kal. 20/22 der Firma Gewürze-Hausschlachterbedarf).
Wenn ich die Würste nicht sofort verwende, brühe ich sie 15 Minuten in heißem, nicht kochendem Wasser. Ansonsten braten wie eine Bratwurst. Etwas Wasser in die Pfanne, dazu wenig Fett – die Würste garen im Wasserdampf vor, das Wasser verflüchtigt sich und die Würste braten danach im zugegebenen und eigenen Fett.