Vor einigen Tagen sah ich im Internet eine Zusammenfassung über die Stehbierhallen „Bierquelle“ der Brüder Aschinger in Berlin. Im September 1892, eröffneten die Gebrüder Aschinger ihr erstes Stehlokal mit Selbstbedienung, und dieses Stehlokal war damit Vorläufer der Fastfoodrestaurants. Doch schon bald sprach ganz Berlin von den »Bierquellen«, und auch der Name Aschinger war schnell in aller Munde. Das Bier war günstig und wurde vor den Augen der Gäste gleich in Gläser gezapft. Dazu gab es gratis die berühmten Aschingerschrippen (Brötchen, Semmel), die überall in kleinen Körbchen herumstanden. Neben den trockenen Schrippen wurden bald auch Suppen und warme Speisen angeboten. Berühmt war die Löffelerbsensuppe mit Speck.
Erbsensuppe – wie lange hatte ich keine Erbsensuppe mehr? Erbsensuppe führte mich zurück in meine Kindheit. Erbsensuppe war das Essen an einem wichtigen Festtag. Nun meine ich damit nicht die kirchlichen Feste wie Ostern und Weihnachten. Die werden überall gefeiert, mal mehr, mal weniger. Nein, im Münsterland gibt es auch Feste, die besonders wichtig sind. Und das wichtigste aller Feste ist das Schützenfest.
Von Pfingsten bis Jacobi (25. Juli) war früher die Schützenfestzeit. Gefeiert wurde von Freitagmittag bis Sonntag spät in die Nacht. Das war eine harte Zeit, hörte ich oft als Kind. Es wurde viel getrunken und man musste standfest sein. Zwischendurch ging die Männer heim, um mit einem Schläfchen den Alkoholpegel ein wenig zu senken. Dann hofften die Frauen, dass er Abend wenigstens noch das ein oder andere Tänzchen absolvieren konnte. Mit diesem Wunsch im Herzen ermahnten sie beständig ihre Männer, doch nur Korn und nicht immer Doppelkorn zu trinken. Am Abend spielte dann im geschmückten Saal der Dorfgaststätte oder gar in einem Festzelt eine Kapelle zum Tanz auf. Die Männer tranken wieder Doppelkorn, die Frauen „Aufgesetzten“.
Ich liebte diese Schützenfeste. Leider hatte meine Familie den Makel, dass niemand zu den Schützen gehörte. Bei uns wurde nicht geschossen, im Krieg nicht und erst recht nicht im Frieden, auch wenn es nur um den Spaß ging. Wobei es beim westfälischen Schützenfest nicht unbedingt auf das Schießen ankommt. Ein hölzerner Adler mit den Insignien Zepter und Kugel, musste von einer Stange geholt werden. Auch da mahnte manche Ehefrau, lieber danebenzuschießen. Denn wenn ein Teil oder gar der Vogel herunterkam, konnte das ganz schön teuer werden. Zum Festbetrieb ging von den Erwachsenen meiner Familie auch niemand, was uns Kinder aber nicht hinderte, dort herumzulungern. Man kannte ja jeden und jedes. Dann ließ der Nachbar uns schon mal von seinem Bier den Schaum abtrinken und an der Zigarette ziehen.
Aber das war es nicht, was mir am Schützenfest so gut gefiel. Nein, es war die Musik und das Essen. Aber zuerst zur Musik. Dazu sagte dann die Großmutter:
„Muorns kuёmt de Trumlers und Pfiefers un smiet een uut dat Bedde dan. Und dann gait et to Kiärke met alle Man, dän Häerguod to bidden um sine siängende Hand und zu gudder letzt maakt se eenen Gang, to´t Denkmmaol un denkt dao an de Ollen, de för´t Vaderland häbt ären Kop hänhollen. „* Und der Aufmarsch wurde vom Spielmannszug begleitet.
Dieser Spielmannszug zog mich magisch an, vor allem der große Schellenbaum, der vorangetragen wurde. Ich hätte stundenlang zuhören können, wenn der Marsch „Alte Kameraden“ gespielt wurde. Zu den Klängen dieses Spielmannszug ging es dann zur Wiese vor dem Dorf, wo das Königsschießen stattfand. Und jetzt rundet sich meine kleine Geschichte, denn hier gab es „Eintopfessen“ – nicht „Blindhuhn“ oder „Graupensuppe mit Rindfleisch“ wie bei uns daheim am Samstag. Hier gab es Erbsensuppe aus der Gulaschkanone. Ich habe damals lange darüber nachgedacht, warum das Ding Kanone hieß und fand, dass Kanonen doch gar nicht so schlimm seien.
Diese Erbsensuppe war dick und sämig und drinnen waren Stücke vom ausgelösten „Schweinepfötchen“ und Scheiben von der allgegenwärtigen Mettwurst. Diese Mettwurst gab es dann auch noch am Abend. Da wurde sie aber mit einem Stück Brot und Butter gegessen und hieß „dreuged Endken“. An diesen Eintopf dachte ich so manches Mal während des Jahres und sehnte ihn herbei. Ich bekam ihn schon mal hie und da zu essen, denn andere Familien kochten ihn immer wieder an ihrem Eintopftag. Nur bei uns daheim gab es ihn nicht.
Jetzt koche ich ihn mir alle Jahre selbst wieder und lass dabei die Erinnerungen an die Kindheit aufleben.
Erbseneintopf wie auf dem Schützenfest
Zutaten
500 g getrocknete Schälerbsen (grün)
1 Stück Knollensellerie
1 Karotte
1 Stange Lauch
1 große Zwiebel
4 Kartoffeln
4 Mettwürstchen
2 Schweinepfötchen
Majoran
Liebstöckel
Lorbeerblatt
2 Nelken
Salz und Pfeffer
Zubereitung
Die Erbsen werden am Vorabend eingeweicht. Die die oben schwimmen sucht man heraus und gibt sie den Hühnern (so man hat).
Die Schweinepfötchen werden mit 3 l Wasser aufgesetzt und mit einem Lorbeerblatt und 2 Nelken gegart. Dann nimmt man sie heraus und lässt sie abkühlen.
In den Sud gibt man jetzt die Erbsen, die geschälten und gewürfelten Kartoffeln, den Lauch in Ringe geschnitten, die Sellerie und Möhre in Würfel geschnitten und die Kräuter und lässt alles langsam köcheln.
Wenn die Schweinepfötchen nur noch lauwarm sind, werden sie sorgsam abgesucht und das Fleisch kommt in die Suppe. Jetzt gibt man auch die Mettwürste dazu. Man muss sie aber nicht in Scheiben schneiden, wenn man so eine kleine Menge kocht.
Zum Schluss wird alles mit Salz und Pfeffer abgeschmeckt.
Dazu schmeckt ein kühles Bier.
* Morgens kommen die Trommler und Pfeifer und werfen einen aus dem Bett. Dann geht es in die Kirche, um den Herrgott um seine segnende Hand zu bitten und zu guter Letzt marschierten sie zum Denkmal (Kriegerdenkmal), um an die Alten zu denken, die für das Vaterland den Kopf hingehalten haben.