Kulinarische Impressionen aus Marienbad und Umgebung
Zum wiederholten Male reise ich nach Tschechien, und schreibe diesmal erneut aus Marienbad oder wie es richtig heißt: Marianske Lazne.
Ich liebe das Land, die Berge, die Städte und Dörfer und die Kultur, die ich hier vorfinde. Es sind viele Teilchen, die die Identität dieses und jedes andere Landes mitbestimmen. Neben den anderen Teilen sind für mich die kulinarischen Besonderheiten wichtig, das was täglich oder an Sonn- und Feiertagen als Mahlzeit auf den Tisch kommt.
Noch vor 10 Jahren konnte man als Reisender den Eindruck bekommen, dass die tschechische Küche nur aus süßen Mehlspeisen und riesigen Schnitzeln, Schweinebraten mit Klößen und Svíčková, dem berühmten Rinderbraten, besteht. Offen gestanden, ich habe nie einen Svíčková serviert bekommen, der seinem Ruf gerecht wurde. Aber das liegt wohl daran, dass viele Restaurants auf Masse und nicht auf Qualität gesetzt haben. Nun hat sich auch hier seit einigen Jahren in der Gastronomie und sicherlich auch am heimischen Herd manches geändert.
Lange Zeit war Vlastimil Reitmajer im nahen Kladska die Nummer eins in der Umgebung von Marienbad. Er ist nun im Ruhestand und hat dieses Frühjahr aufgehört zu kochen. Dann gibt es immer noch das Restaurant zur schwarzen Kugel – „U slate koule“. Sie verstehen sich als Gourmetrestaurant unter Bewahrung der Traditionen der klassischen hausgemachten tschechischen Küche. Eine etwas sehr große Karte und ein etwas überladenes Interieur läßt manchen Gast vielleicht etwas abschrecken, aber gerade bei den traditionellen böhmischen Gerichten ist das Haus absolut empfehlenswert. Die Preise sind unrealistisch hoch.
Inzwischen hat sich aber kulinarsich einiges getan. Das Publikum ist auch ein anderes als vor 20 Jahren, und neue Gaststätten haben sich etabliert. Im vergangenen Jahr konnte ich ein Degustationsmenü aus dem Hotel Olympia probieren, das absolut erwähnenswert wäre. Ebenso die kleinen Gerichte im Café des Hotels Palac Zvon. In diesen Häusern steht die Kur im Vordergrund und die Restaurants haben keinen a la carte Service, sondern Büffets nach dem Motto “all you can eat”.
In diesem Jahr habe ich in der „Villa Patriot“ gewohnt, die sich fine dining kombiniert mit tschechischer Tradition auf die Karte geschrieben hat. Die Küche war sehr bemüht und die diversen Menüs, die wir zu viert serviert bekamen, waren gut. Erwähnenswert ist die Qualität der Fleisch- und Fischgerichte, die Schnecken und Suppen. Die Desserts waren etwas üppig; weniger wäre mehr. Insgesamt kann man sagen, dass die Villa Patriot als erstes Haus am Platz bezeichnet werden dürfte.
Eine Überraschung in der Villa Patriot war die Kulajda, die durch einen dezenten Säureanteil sehr nordböhmisch gepägt war und ein wenig an eine Krkonošské kyselo aus dem Riesengebirgeerinnerte, die zur großen Familie der mit Sauerteig gesäuerten Suppen gehört. Ich mag diese gesäuerten Suppen sehr gerne. Im vergangenen Jahr habe ich im südlichen Böhmerwald eine wenig gesäuerte Kulajda auf reiner Kartoffelbasis ohne Pilze bekommen. Ich war damals überrascht. Aber egal welche Variation der Kulajda auf den Tisch kommt, für mich gehört sie zum Geschmack Böhmens.
Kulajda
Zutaten:
2 – 3 EL Mehl
1 l Gemüsebrühe
1 EL Butter
2 EL Speiseöl
5 mittelgroße Kartoffeln
Getrocknete oder frische Pilze
150 ml Sahne
2 – 3 EL Essig (oder getrockneter, zerriebener Sauerteig)
Zucker
Dill
1 Lorbeerblatt
Piment
Kümmel
Salz und frisch gemahlener Pfeffer
4 Eier
Zubereitung:
Die Butter mit dem Öl in einer Kasserolle schmelzen und mit 2-3 Esslöffeln Mehl eine Einbrenne bereiten. Die Menge des Mehls bestimmt, wie dick die Suppe werden soll. Ständig rühren, bis die Mehlschwitze zu duften beginnt und leicht gebräunt ist. Die kochende Brühe auf die erhitzte Mehlschwitze gießen und alles mit einem Schneebesen verrühren.
Die Kartoffeln schälen und in Stücke schneiden. In die Brühe geben. Die Pilze reinigen. Die frischen Pilze vorher anbraten und erst dann in die Suppe geben. Getrocknete Pilze vorher einweichen. Wer den Umami Geschmack gerne mag, zerreibt einige getrocknete Steinpilze und Totentrompeter in einem Mörser zu Pilzpulver, das er mit in die Suppe gibt. Kreuzkümmel, Lorbeerblatt und Piment zur Mischung hinzufügen. Kochen, bis die Kartoffeln weich sind. Dies dauert etwa 10-15 Minuten.
Lorbeerblatt und Piment entfernen. Die Sahne zugießen und rühren, so dass die Suppe nicht gerinnt. Salz, Pfeffer, Dill hinzufügen, mit Zucker und Essig würzen. Das Verhältnis von Zucker und Essig ist eine Frage des persönlichen Geschmacks, ich gebe etwa 2 EL Essig und 2 EL Zucker hinzu. Es kommt wirklich und nur auf den eigenen Geschmack an, lieber am Anfang weniger zugeben und bei Bedarf anpassen.
Die Eier hart kochen und in die Suppe geben. Ich persönlich nehme lieber ein Onsen Ei oder ein pochiertes Ei.
Abgesehen von der Küche ist die Villa Patriot auch als Hotel sehr zu empfehlen. Sie gehört nicht zu den riesigen Häusern, liegt etwas abseits, doch nahe am Zentrum und bietet nur ein kleine Anzahl sehr schöner Zimmer.
Natürlich findet man eine große Anzahl an schönen und guten kleinen Gasthäusern in der näheren Umgebung. In den kleinen Städten und auf bewirteteten Bauernhöfen auf dem Land bin ich hervorragend bedient worden. In Maienbad selbst findet man neben den guten und zahlreichen weniger guten Restaurants, die mir oft von anderen Kurgästen wegen ihrer riesigen Portionen empfohlen wurden, einige sehr schöne Cafés, die auch kleine Speisen anbieten. Wer es elegant mag, geht ins “Wiener Café” im Hotel Nove Lazne, wer gesehen werden will, sollte sich für das Café Modra entschließen. Wer aber aussergwöhnliche Kaffeespezialitäten und eine besondere Qualität sucht, geht in das „Kavarna 18 G“.
Chlebíčky
Seit drei Jahren gibt es dieses kleine Café mit außergewöhnlichem Kaffeespezialitäten, Torten und kleine Gerichte und Leckereien. Zu diesen Leckereien gehören „Chlebíčky“ – Weißbrotscheiben die mit Schinken, Käse, verschiedenem Gemüse und mehr belegt und dekoriert werden. Es ist nicht irgendein Weißbrot, sondern dafür nimmt man das „Veka na Chlebíčky“. Österreicher und Bayern kennen dieses Brot unter dem Namen Wecken. Das wohl typischste Chlebíčky ist das Schinkenkanapee – šunkový chlebíček. Auf eine Scheibe Veka kommt zunächst eine Schicht Kartoffelsalat. Dann folgt eine kunstvoll gefaltete Scheibe Schinken. Geschmückt wird das Kunstwerk mit einem Stück vom hart gekochten Ei, einer sauren Gurke und mit einem Streifen einer eingelegten roten Paprika. Zu guter Letzt garniert man das Ganze mit einem kleinen Zweig Petersilie. Variationen sind gang und gebe.
Als Erfinder der Chlebíčky gilt Jan Paukert. Jan und Štěpánka Paukert gründeten im September 1916 ein exklusives Delikatessengeschäft im Zentrum von Prag an der Nationalstraße. Dieser Laden war während der Ersten Republik ein bekannter Ort, an dem Feinschmecker aus ganz Prag und Europa speisten. Sie wurden von dem Angebot aus der ganzen Welt angezogen, mit importierten Würsten aus Bayern, Käse und Pasteten aus Frankreich und Fisch aus dem Mittelmeer. Alles war immer frisch und so kamen beispielswiese lebende Schildkröten, Hummer und Langusten mit dem Zug am Hauptbahnhof an, von wo aus sie direkt in den Laden gebracht wurden. Wahrscheinlich waren Chlebíčky schon vorher bekannt, erst 1916 wurden sie aber vom Jan und Štěpánka Paukert allseits bekannt gemacht.
Die Chlebíčky kann man in Bäckereien, Feinkostgeschäften und Cafés kaufen. Die schönsten und besten habe ich bisher im Kavarna 18 G serviert bekommen. Sehr oft werden Chlebíčky aber auch zu Hause zubereitet. Und dabei kennt die Fantasie keine Grenzen. Tatsächlich schmecken die Chlebíčky fast ausnahmslos jedem Tschechen, ob nun als Snack für Zwischendurch oder vom Büffet bei allen möglichen Festen und Feiern. Erfreulicherweise konnte ich beobachten, dass auch Touristen immer öfter nach diesen typisch tschechischen Kanapees fragen, die wirklich außergewöhnlich sind.
Nun haben aber die beiden jungen Frauen, die das Kavarna 18 G führen, diese Brote zu wahren Kunstwerken weiterentwickelt. Statt Weissbrot richten sie auf Brotvariationen an und der Belag ist noch üppiger als gewöhnlich.
Wer die Kurzone in Marienbad verläßt und in den einfachen Gaststätten am Ortsrand einkehrt, bekommt interessante und gute Wirtshauskost serviert. Die Vielzahl an Aufstrichen mit Brot fallen auf, Knoblauchsuppe gehört zum Standard und natürlich Bramboraky, die tschechischen Reibekuchen. Sie duften nach Knoblauch und Majoran, ohne die das Rezept nicht auskommen kann. Eine gute Auswahl an deftigen Fleischspeisen, Suppen und Bratwürsten rundet das Angebot ab.