Kartoffelpuffer in Tschechien und anderswo

Gute Kartoffelpuffer sind vom Aussterben bedroht. Aber in Tschechien, findet man die Bramboraky immer noch auf vielen Speisekarten als Beilage. Leider bekommt man oft nur dicke, zähe Papp-Puffer serviert, die als Convenienzprodukt einer Tiefkühltruhe entsprungen sind. Die Schneise der Verheerungen, die die Fritteusen durch Mitteleuropas Küchen geschlagen haben, trifft auch den Kartoffelpuffer hart.

Ich mag mich erinnern, dass im Ruhrgebiet in den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts Reibekuchen zu jedem Rummel gehörten. Die Kartoffelmasse schwappte in großen Gefäßen und verwandelte sich nach und nach zu knusprigen, heißen, fetttriefenden Reibekuchen, wie sie in Westfalen und im Rheinland genannt werden. Dann verschwanden die Verkaufsbuden mit Reibekuchen, sie waren wohl zu arbeitsaufwendig.  Stellt aber ein Wirt heute eine Tafel heraus, dass „Reibekuchentag“ sei, sind die Gaststätten auch heute noch überfüllt. Einen guten Reibekuchen zuzubereiten ist wirklich viel Arbeit, und selbst in Familien hat er nur noch in wenigen Nischen überlebt. Etwa dann, wenn sich eine traditionsbewusste Großmutter erbarmt und die durchaus aufwendigen Kartoffelpuffer mit Apfelmus als fleischloses Freitagsgericht zubereitet.

Während eines Urlaubs an der Moldau hörte ich, das es die besten Kartoffelpuffer im nahen Trebon gibt. Der „Bramboraky“ ist sozusagen neben Karpfen das typischste Gericht am Ort. Die Stadt ist empfehlenswert, die Reibekuchen dort sind es nicht. Bereits zum Frühstück bekam ich sie angeboten. Ein lieber älterer Herr erzählte mir, dass es früher noch die guten Bramboráky gab; eine pfannenheiße Köstlichkeit von der Größe einer alten Single-Schallplatte. Am besten waren sie, wenn sie in Schmalz gebacken wurden und eventuell noch einige Grieben anhafteten. Er gab mir eine Adresse von einem Landgasthof und dort fand ich sie: Ihr Duft war betörend und die Ränder waren so knusprig, dass man das verlockende Knacken nicht vergisst, das zwischen den Zähnen entstand.

Kartoffelplätzchen, Reibekuchen, Reibeplätzchen, Erdäpfelpfannkuchen, Reiberdatschi – die Regionalbezeichnungen sind zahlreich, die Rezepte weitgehend gleich. „Datschi“ kommt vom oberdeutschen Verb „dätschen“, drücken, quetschen, meint also den flachgedrückten Fladen. Der böhmische Bramborák, hat seinen Namen von tschechisch Brambor, der Kartoffel, die sich wiederum nach dem Land Brandenburg benennt: Von dort wurde der Erdapfel einst nach Böhmen importiert. Benannt nach Friedrich dem Großen, Mitteleuropas größtem Kartoffelprotagonisten, hieß das üppigste Puffer-Rezept der DDR „Alter Fritz“: Man bestrich große Kartoffelpuffer mit einer Hackfleischfarce, rollte sie ein und buk sie ein zweites Mal. In ganz Mitteleuropa gibt es unzählige Rezepte, Fleisch oder Gemüse in einem Reiberdatschi unterzubringen und so die Beilage zur Umhüllung des Gerichts zu machen.

In Gegenden wie der sandigen Mark und der sogenannten Steinpfalz, der einst bitterarmen Oberpfalz, haben die Menschen zeitweilig fast nur von Kartoffeln gelebt. Just dieser Armenküche entstammt der Kartoffelpuffer als deftige Köstlichkeit. Ein naher Verwandter des Reibekuchens ist der Waldecker Ofenkuchen. Ich habe davon im Blog „sonachgefuehl.de“ gelesen. Den muss ich noch unbedingt ausprobieren. Ebenfalls sehr interessant und lecker ist der Beitrag Peter G. Spandl in seinem Blog „Aus meinem Kochtopf“ über fränkische Baggers.

Ein Kartoffelpuffer muss frisch und pfannenheiß auf den Tisch kommen. Wie mehlig aber sollten die Kartoffeln sein, wie grob werden sie gerieben? Ein zu feiner Kartoffelteig macht die Puffer kompakt und ledrig. Puristen wollen dennoch nicht alles mit der groben Streifenreibe raspeln, denn dann würde der Datschi zu sehr an die in der Schweiz beliebten Rösti erinnern oder an Österreichs Erdäpfelschmarren. Perfektionisten nehmen eine kleinere Menge fein geriebener, eher festkochender Erdäpfel, die gut bindet; der Rest bleibt grob für den schöneren Geschmack. Die geriebene Masse sollte entwässert werden; manche gießen nur den Reibesaft ab. Liebhaber wringen die Masse im Tuch aus. So erspart man sich größere Mehlmengen, um den feuchten Teig zu binden. Dazu gibt man Eigelb, Salz, Pfeffer. Und dann eben etwas Mehl, das manche allerdings ganz meiden, um den „kartoffeligen“ Geschmack zu wahren.

Erst nach diesem Grundrezept teilt sich der Geschmack in süß oder herzhaft. Eine Prise Muskatnuss kommt für beide Varianten in Frage. Apfelmus, andere Obstzutaten, süßer Joghurt oder Quark machen dann ein schönes Sommergericht. Die Klassiker aber sind herzhaft. Mit gehackten, angeschwitzten Zwiebeln, reichlich Majoran, in Böhmen auch mit einer guten Prise Kümmel und einer zerdrückten Knoblauchzehe, legt der Fladen mächtig an Geschmack zu. Bei den Zutaten sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt: Man kann gehackten Lauch, frische Kräuter, gar kleingehäckselte, frische Pfefferoni in den Teig mengen oder auch gewürfelten Speck zufügen. Nur – besondere Würzeffekte erzielt man besser durch äußere Zutaten als im Teig selbst. Der Kartoffelpuffer kann Hauptgericht oder Beilage sein. Eine Regel sollte man beachten: wenn er ein zartes Gericht – etwa Fisch – die Speise ist, die der Reibekuchen begleiten soll, desto zurückhaltender muss seine Würze sein.

Am Ende kommt alles in die Pfanne. Fett immer reichlich und nicht zu heiß, damit der Teig – er sollte kaum mehr als einen halben Zentimeter dick liegen – gut durchgart wird; aber heiß genug ist, dass die mit groben Kartoffelspänen ausfransenden Ränder braun und knusprig werden.

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