Kennen Sie Harry Ramsden? Nein – aber Sie kennen „fish and chips“ – das Synonym für fettige, englische Küche. Und haben Sie schon einmal „fish and chips“ in England gegessen? Die meisten Leser werden auch dies verneinen und eventuell dazu sagen: „Das will ich auch gar nicht, das ist ja ekelig.“ Und wieso?
Harry Ramsden ist wohl die größte Kette, die seit 75 Jahren in England „fish and chips“ verkauft. In den Badeorten an der Küste steht man dort regelmäßig Schlange, fast so, als wollten hoffnungsvolle Feinschmecker lukullische Köstlichkeiten probieren. Harry Ramsden findet man in modernen Gebäuden – aber mit Bleiglasfenstern, Kronleuchtern und Teppichböden. Seine Filialen vermitteln das Image eines kostspieligen Restaurants, und doch kann jedermann sich hier das Menu leisten.
„Fish and chips“ hat seinen Ursprung in den Arbeitervierteln Englands. Es war billig, nahrhaft und man konnte es nach einem harten Arbeitstag gleich in Garküchen essen. Geschäfte für gekochte Lebensmittel gab es in England schon seit Hunderten von Jahren, aber erst im neunzehnten Jahrhundert tauchten „fish and chips“ auf. Zunächst waren es nur gebratene Fische, die verkauft wurden. Nirgendwo ist es weit zur Küste und überall in England gab und gibt es noch heute hervorragenden Fisch. Charles Dickens erwähnt bereits in Oliver Twist solch eine Fischküche. Der Fisch wurde in flachen Pfannen gekocht und normalerweise kalt gegessen. Später nahmen dann einige dieser Fischküchen Bratkartoffeln in ihr Sortiment auf. Nur wer die Idee hatte, das ist eine Streitfrage, die offen bleiben muss. Die Londoner behaupten, dass es Malin im East End war, der im Jahre 1868 seine Fischküche eröffnete. In Manchester sagt man, dass es John Lees war, der in einer Holzhütte in Mossley, Manchester 1863 mit dem Verkauf begann. Ursprünglich verkaufte er Schweinsfüße und Erbsensuppe, dann kam „fish and chips“ zu seinen Menüs hinzu.
Diese Garküchen waren zwar wegen ihres nahrhaften und preiswerten Essens beliebt, aber nicht überall. So schrieb 1876 ein Dr. Ballard, seines Zeichens Gesundheits-Inspektor, in seinem Bericht: “Es ist zwar ein Kleinhandel, aber in manchen Vierteln dennoch eine Quelle erheblicher Belästigungen. Diese Küchen verbreiten unangenehmen Öl- und Fischgeruch, der oft durch die gesamte Länge der Straße zieht, wo sich das Geschäft befindet.” Der Sozialforscher Henry Mayhew berichtet in seinem berühmten Werk „London Labour and London Poor“, dass einige von den Fischverkäufern draußen auf der Gasse und in Mansarden lebten, weil der ihnen anhaftende Geruch nicht erträglich war. Sie brieten den Fisch von sechs in der Frühe bis nahezu Mitternacht und sind dabei nicht reich geworden.
Dann kam die Zeit von Harry Ramsden. Er war ein Mann der großen Visionen und in den 1930er Jahren, als die Rezession viel Armut aufkommen ließ, plante und baute er ein Restaurant, wo Kunden in luxuriöser Umgebung essen konnten. Er war Perfektionist und brachte viel Liebe zum Detail mit: Der Fisch muss immer zuerst mit der Seite, von der die Haut geschnitten worden war, nach oben ins Frittierfett gegeben werden. Nach zwei und eine halbe Minute genau, wurde er auf die zweite Seite gedreht. Ramsden entwarf neumodische Kücheneinrichtungen und brachte Thermoter an den Fritteusen an, um ständig die Temperatur unter Kontrolle zu halten. Für seine Küchen verwendete er Edelstahl, lange bevor es gebräuchlich wurde. Die Zutaten wurden mit höchster Präzision gemessen und die Waage jeden Tag überprüft. Und mit dieser Präzision, dem Vorläufer der heutigen Fastfoodketten, wurde er zu einer Institution.
Briten nahmen diese Tradition in alle Teilen des Commonwealth mit. Wenn die Yorkshire Society of Singapore eine Party hatte, importierte sie nicht nur die „fish and chips“ Zutaten, sondern auch Kopien der Yorkshire Evening Post, um das Essen darin einzuwickeln. Auf der Food-Messe in Toronto verkaufte man als englisches Essen Heilbutt und Chips, in Seattle gibt es Lachs und Chips. Wohlgemerkt, Lachs, der im Freien in Holzöfen gesmoked und mit Chips serviert wurde und Chips die in Wirklichkeit Pellkartoffeln waren. Im Mutterland bevorzugte man Kabeljau, Seehecht und Dorsch. Zum Frittieren nimmt man in Nordengland Rinderfett, im Süden wurde eher Öl eingesetzt.
Nun steht England mit diesem Seafood mit Chips nicht alleine da. Belgiens Antwort sind Muscheln mit Pommes und Mayonnaise, während im Mittelmeerraum die frittierten Tintenfischringe serviert werden.
„Fish and chips“ ist Nahrung für alle. Es ist eines der klassenlosen Gerichte in Großbritannien, immer und überall gegessen. In Yorkshire hat man schon Damen im Pelz gesehen, die sich von ihrem Chauffeur im Rolls Royce zum Take-away bringen ließen.
„Fish and chips“ ist ein traditionelles Gericht, das zwar durch Snobs verhöhnt wird, aber andererseits sogar von manchen Reformhaus-Anhängern als nahrhafte Kombination geschätzt wird.
Ein Freund wurde von einigen Singapore Chinesen zu einem rauschenden Fest eingeladen. Die Party ging die ganze Nacht und als das Frühstück serviert wurde, priesen die Gastgeber ihren englischen Gästen ein ausgezeichnetes traditionelles englisches Frühstück an (wie sie es sich vorstellten). Was gab es? „Fish and chips“
Heute gibt es dazu kein Rezept, denn „fish and chips“ isst man nicht zu Hause. Aber eine Empfehlung gebe ich gerne:
„The Prince Albert“ – A Notting Hill pub worthy of a curtain call
Hier gibt es ein wirklich gutes „Fish and Chips“ Menu. Man findet es in der 11 Pembridge Road, Notting Hill, London
“The Dove” – A charming, much-loved pub with incredible history
Dieser Pub ist immer wieder einen Besuch wert. Man findet ihn 19 Upper Mall, Hammersmith, London
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