Das am meisten missverstandenen Obst in der Welt:
Tomaten – hier: klare Tomatensuppe
1519 – die spanische Krone verlange nach mehr Gold und es ging die Kunde von den sagenhaften Goldschätzen der Azteken. Die Inseln der Karibik waren bereits erobert und so begann von Havanna eine Expedition unter Führung von Hernando Cortez. Sie endete da, wo dichter Dschungel auf weiße Sandstränden trifft. Aktive Vulkane ragen aus Nebelwälder, immense Wasserfällen rauschen, Tukane, Affen und andere wilde Tiere erfülle die Nächte mit ihrem Geschrei. Im Ozean wimmelt es dort von einer Fülle von Leben, allem voran delikate Meeresschildkröten.
Im heutigen Mexico, nahe der Stadt San Juan de Ulua ging Cortez an Land. Von den einheimischen Azteken wurde er freundlich empfangen und reich mit Silber- und Goldschmuck beschenkt. Die Azteken hatten ein Gott erwartet, der aus dem Osten kommt und wollten diesen besänftigen und hofften, er würde wieder das Land verlassen. Aber sie hatten das Gegenteil erreicht. Die Spanier führten einen Eroberungsfeldzug, denn die Gier nach Silber, Gold und Edelsteine war zu groß.
Aber nicht nur Gold und Edelsteine kamen durch diese Expedition nach Spanien sondern auch eine neue Frucht: die Tomate. Hernando Cortez entdeckte sie zum ersten Mal den in den Gärten des Montezuma in Costa Rica. Er brachte den Samen nach Europa, wo sie als Zier-Kuriositäten gepflanzt, aber nicht gegessen wurde. Viel Vertrauen hatte man nicht in diese Pflanze, die wissenschaftlich Lycopersicon esculentum genannt wird, wobei Lycopersicon Wolfspfirsich heißt und esculentum essbar. Der Name wandelte sich dann häufiger. Die Tomate wurde Goldapfel, Paradiesapfel (in Österreich heute immer noch „Paradeiser“) und Liebesapfel genannt (englisch „love apple“, französisch „pomme d’amour“). Ja man vermutete zwischenzeitlich, dass dies die Frucht war, mit der Eva im Paradies den Adam verführte. Aber es dauerte noch lange, bis sie als essbare Frucht erkannt wurde.
Die Tomate galt lange Zeit als giftig. In Amerika erfuhr sie ihren Durchbruch durch einen Mann namens Colonel Robert Gibbon Johnson. Er wollte beweisen, dass die Tomate ohne jegliche Folgen für die Gesundheit genießbar sei. So kündigte er an, am 26. September 1820 öffentlich einen ganzen Korb Tomaten zu essen, ohne umzufallen. Als Colonel Robert Gibbon Johnson von Salem, NJ. auf den Stufen des Gerichtsgebäudes Salem stand, und begann sein Vorhaben zu verwirklichen, hatten sich über 2000 Menschen eingefunden, um seinem „Selbstmord“ zuzusehen. Die örtlichen Feuerwehr Band spielte sogar einen traurigen Song, und Colonel Johnsons Arzt, Dr. James Van Meter warnte ihn noch einmal angeblich vor dem Verzehr. „Der Oberst wird mit Schaum vor dem Mund und einer Blinddarmentzündung an Oxalsäureverfgiftung sterben.“
Doch Johnson proklamierte: „Die Zeit wird kommen, dass dieser üppige Scharlach-Apfel die Grundlage für eine große Gartenindustrie bildet, gegessen und genossen wird – und ich werde beweisen, dass sie essbar ist.“ Das war eine der ersten Realityshows. Er bestand die Aktion unbeschadet, während in der Zuschauermenge Menschen vor Aufregung in Ohnmacht fielen. Die Legende besagt, dass er später eine Konservenfabrik für Tomaten errichtete, was aber nicht bewiesen ist. Diese Idee verwirklichte dann ein Mann namens Joseph Campbell, der 1897 die Tomatensuppe in die Dose brachte.
Soweit der Verzehr von Tomaten die Gesundheit beeinträchtigt, weiß man heute, dass sie äußerst hilfreich gegen verschiedene Krankheiten sind. Sie enthalten das Antioxidans Lycopin, das das Risiko von Prostatakrebs bei Männern reduziert. Tomaten enthalten auch Vitamin C, Carotinoide und Beta-Carotin die einer vorzeitige Alterung, Krebs und Herzkrankheiten vorbeugen. Voll mit Antioxidantien und reich an Kalium und mit nur ca. 36 kcal. sind Tomaten eines der gesündesten „Gemüse“, die wir auf dem Markt finden.
Es geschah auch in den USA, dass die Tomate irrtümlich nicht als Frucht, sondern als Gemüse klassifiziert wurde. Obst war steuerfrei, doch der Kongress entschied, dass die Tomate als „Gemüse“ zu versteuern sei. So ist es bis heute geblieben. Für den Botaniker ist die Tomate eine Beere und für den Gärtner gilt sie als Gemüse.
Auch in Europa wurde die Tomate lange verschmäht. Gehören nicht beide – die Tomate wie auch die Alraune – zur Familie der Nachtschattengewächse? So schrieb man auch der Tomate, gerade wie der Alraune besondere Kräfte zu. Sie wurde eben deswegen auch Liebesapfel genannt und frühchristliche Gelehrte, die das Paradies für einen Garten hielten, der von einem zehnköpfigen Drachen bewacht wurde, erklärten sie kurzerhand zur zweiten Frucht des Garten Edens. Zuerst kamen sie in Italien auf den Tisch, der Rest von Europa blieb eher skeptisch. Man sagte ihr hier nach, dass die nach dem Verzehr die Haare und Zähne ausfallen und ihr Geruch wahnsinnig mache. Doch die Gemüter beruhigten sich und schließlich fand sie allgemeine Verbreitung.
Jetzt ist Tomatenzeit. Mit etwas Glück findet man auch auf deutschen Wochenmärkten vollreife, fruchtige Tomaten unterschiedlichster Sorte. Ich persönlich gehe dafür zum „Türken“ meines Vertrauens. Früher gab es hier einen Italiener, der die Tomaten immer am Samstagvormittag frisch vom Feld vom LKW herunter verkaufte. Doch das ist leider schon länger her. Und diese vollreifen Tomaten kann man wirklich für alles gebrauchen: Saucen, Gemüse und vor allem auch für Suppen. Denn nun folgt ein Rezept, das ich 2008 im Rezeptor der Zeit gefunden habe:
Klare Tomatensuppe
Die Zeit schreibt bei den Zutaten 2 kg reife Tomaten + 1 Dose Tomaten. ich greife nur zu frischen, reifen Tomaten.
Zutaten
4 kg reife frische Tomaten (Flaschentomaten sind ideal)
1 Zitrone
1 Orange
1 Bund Basilikum
Salz, Pfeffer, Zucker
Zubereitung
Ich passiere die Tomaten durch ein Tomatenpassiergerät. Wer ein solches nicht besitzt, kann sie einfach mit dem Pürierstab zerkleinern oder auch durch einen Fleischwolf drehen. Das Fruchtfleisch und der Saft werden danach durch ein Passiertuch gefiltert, so dass alles „Rote“ zurückbleibt. Dafür wende ich die gute alte „Hockermethode“ an. An jedem Bein eines umgedrehten Hockers befestige ich die Ecke einer Windel (oder eines Passiertuches) und stelle eine Schüssel darunter. Nun gebe ich die Tomatenmasse in das Passiertuch und die Flüssigkeit trennt sich nach und nach vom Fruchtfleisch. Das dauert lange, einige Stunden. Die Zitrone, Orange und das Basilikum? Von den Früchten ziehe ich Zesten, die ich mit in den Tomatenpamp gebe, eventuell auch ein wenig vom Saft. Das Basilikum schneide ich sehr fein und gebe es auch dazu. Natürlich kommt das alles vor dem Passieren hinein!
Nun muss man nur noch den Geschmack optimieren. Der gewonnene Saft wird auf ca. die Hälfte reduziert und mit Salz, Zucker und Pfeffer abgeschmeckt.
Was für eine Geschichte – vor allem die Reality-Show… man stelle sich das mal vor.
Achja, und ich könnte übrigens vom Türken auch noch mindestens 10 kg Tomaten gebrauchen. Das so nebenbei bemerkt – ich zahl hier ja pro kg den Preis, den Du für 5 kg zahlst.
@ WildeHenne – nur 10 kg?
Was für eine Geschichte. Mir war schon klar, dass die Tomate hier erst recht spät Verbreitung fand – aber wie du das aufrollst, sagenhaft! Ich lese deine Beiträge mit großem Genuss!
Und die klare Suppe? Mal sehen, ob ich nach dem Urlaub noch ein paar vollreife Tomaten finde. :-)
@ eva – Das freut mich dann auch und ich werde auch in Zukunft versuchen, so nette Hintergrundgeschichten zu schreiben.