Wilhelm Beukelzoon kam aus Biervliet, einem kleinen Fischernest in ‚Zeeuws Vlaanderen‘ (Niederlande). Er machte 1395 die Entdeckung, die seine Heimat für immer verändern sollte und sie zur Großmacht des Herings erhob. Beukelzoon erfand den Kehlschnitt. Das klingt grausam, ist aber eine gute Idee.
Der Hering, wenn er an Bord kommt, ist wie jeder frische Fang, vom Verderb bedroht. Beukelzoon nahm Stück für Stück zur Hand, schnitt jeden einzelnen Fisch unter dem Maul zwischen den Kiemenbögen auf, entnahm die Eingeweide und ließ — damals wohl eher durch Zufall — die Bauspeicheldrüse des Fisches im ausgenommenen Tier. So flog der Hering in die Tonne, Salz kam dazu und es bildete sich eine Pökel-Lake, die es erlaubte, den Fisch länger aufzubewahren. Der Matjes war erfunden.
Das Prinzip ist seither gleich geblieben. Karl V., römischer Kaiser deutscher Nation, in dessen Reich die Sonne nie unterging, er regierte von Dänemark bis Südspanien, besuchte etwa zweihundert Jahre später das Grab des Beukelzoon und leerte einen Humpen flämischen Bieres zu seinem Gedächtnis — der Fischer aus Biervliet hatte ein Heringsimperium in ganz Europa begründet.
Seit seiner Erfindung konnte man Hering über längere Strecken in Fässern transportieren. Das Verfahren machte die Runde, überall an Hollands Küste wuchsen die Heringsstädte in die Höhe, mit Hering wurde ihr Reichtum begründet. Von des Kaisers Gnaden darf man den „Hering nicht vermischen oder verändern“ — bis heute nicht.
Und wie kam der Matjes nach Deutschland? Der „Alte Fritz“, Friedrich der Große, wusste die holländischen Baumeister besonders zu schätzen – sie bauten für ihn Schloss Sanssouci. Es lag auf sumpfigen Grund, und die Holländer konnten mit Feuchtgebieten gut umgehen. Sie brachten ihre Genussmittel mit nach Preußen: den Tobak, die Kartoffeln – und den Hering, den Matjes, von ihren Küsten.
Der König befahl seinen Soldaten: „Hering und Kartoffeln soll er fressen.“ Tonpfeife und Matjes schmückten ab jetzt den Helm des Preußischen Wachoffiziers und hielten Leib und Seele zusammen.
Nicht nur Wein und Cognac werden in Eichenfässern gelagert, sondern auch der Matjes. Das Wort »Matjes« kommt vom niederländischen »Maatjesharing« oder »Maagdenharing«, was so viel wie Jungfrauenhering bedeutet und sich auf die geschlechtliche Unreife der gefangenen Fischlein bezieht. Denn das Besondere am Matjes ist, dass er gefangen wird, noch bevor seine Fortpflanzungszeit beginnt. Die ausgenommenen Heringe werden anschließend, traditionell in Eichenfässern, für fünf Tage in einer Salzlake eingelegt, was sie besonders mild werden lässt. Dadurch wird das ohnehin bereits gut verdauliche Fischeiweiß noch leichter verdaulich.
… und morgen ist der 19 Juni – das ist 2013 der Matjestag. Die ersten diesjährigen jungen Matjes werden verkauft. An vielen Orten wird das Fest gefeiert und oft wird ein kleines Fässchen mit Matjes für einen wohltätigen Zweck versteigert. Dieses Jahr ist der Matjestag etwas später. Der jetzt gefangene Hering hat wegen der schlechten Witterung der letzten Wochen zu wenig Nahrung gefunden. Somit fehlt ihm die richtige Qualität, um zum Holländischen Matjes verarbeitet zu werden: Denn nur aus einem Hering mit dem richtigen Fettanteil kann ein guter Matjes werden.
Am vergangenen Wochenende gab es bei mir Rauchmatjes mit Schnibbelbohnen, die hatte ich hier bereits vorgestellt. Ab dem 19. Juni gibt es dann hier regelmäßig und in kurzen Abständen Matjesrezepte! Und wer sie einfach frisch ganz ohne genießen will, der sagt am besten: „Kopp in Nacken un‘ los!“ Ganz frische Matjes isst man am besten in einem Haps.
Könnte ich schon grad wieder essen, sogar zum Frühstück… ;-)
OK – frische Matjes sind bereits eingetroffen.
Die liebe ich als „Fischkopp“ und Ex-Kielerin natürlich sehr. Danke für die Geschichte! Das mit dem grauslichen Kehlschnitt war mir gar nicht bewußt… werde ihn aber trotzdem mit Genuss weiterverspeisen.
Und gut, dass du mich erinnerst, ich habe noch geräucherten in der Kühltruhe! :-)
Ich hatte keinen Matjes mehr im Tiefkühler. Aber das liegt wohl daran, dass ich keine dieser Truhen besitze. So bin ich heute am Morgen schnell zum Fischhändler meines Vertrauens und habe eingekauft: hollänische Matjes (klassisch) und Rauchmatjes aus Norwegen. Sehr, sehr lecker!
Und vergiss den Kehlschnitt, einfach nur genießen! Und viel Vergnügen dabei.