Auf dem Kaiserwald schien schon am frühen Morgen die Sonne und die Wiesen und Moore glänzten silbern vom gefrorenen Tau. In der Nacht hatte es bereits den ersten Frost gehabt. Über dem Egertal nahe Sokolov lag dann Nebel, der immer dichter wurde je tiefer man kam. Dann ging es wieder bergauf entlang der Eger. Mein Ziel war Loket, ein traditionelles Ausflugsziel der Kurgäste aus dem nahen Karlsbad. Schon zu Zeiten Goethes galt dieses, und die Stadt Loket weist auf mehreren Tafeln darauf hin, wie oft der Dichterfürst in dieser Stadt weilte. Schließlich feierte er hier seinen 74. Geburtstag mit der von ihm angebeteten Ulrike von Levetzow; sie war gerade 19 Jahre alt geworden. Bekanntlich wurde nichts daraus. Er kam danach nicht wieder. Bis 1945 hieß Loket in der alten Schreibweise Elbogen. Ich hatte Manches über diesen Ort gehört. So sagt man, dass Loket das böhmische Rothenburg sei. Das Städtchen ist so malerisch, dass es im Jahre 2006 als Kulisse zum James Bond-Film Casino Royale diente. Meine Neugierde aber galt einem ganz bestimmten Produkt, das ich mir nun gar nicht in Böhmen vorstellen konnte: Pumpernickel.
„Die seit 1823 hergestellten Pumpernickel wurden an das Kaiserhaus in Wien geliefert“, schreibt Wikipedia.
Als gebürtiger Westfale war mir das doch eigenartig und neu. Gehört doch Pumpernickel im Münsterland zum Alltag. Es ist so alt, dass sich die Ursprünge der Bezeichnung „Pumpernickel“ komplett im Dunkel der Geschichte verloren haben, was wiederum nie ein Hindernis für eine lebhafte Legendenbildung war. Diese reichen von dem Osnabrücker Bäcker mit Namen Nikolaus Pumper über das lateinische „bonum paniculum“ bis hin zu zu dem französischen Soldaten, der das schwere deutsche Pumpernickel lieber seinem Pferd gab, als es selber zu essen. Das Soldatenpferd hieß Nicole, und aus „bon pour Nicole“ soll infolge sprachlicher Mutation „Pumpernickel“ geworden sein.
Und für die, die es nicht kennen: Pumpernickel ist ein Brot, das hauptsächlich aus Roggenschrot besteht. Pumpernickel wird nicht gebacken wie normales Brot, sondern gart in verschlossenen Behältern im eigenen Dampf. Dadurch wird es so dunkel, fest und süßlich zugleich. Auf kalten Platten ein Muss, ohne Käse nicht denkbar, als Häppchen immer beliebt, mit Schinken eine Delikatesse. Das ist Pumpernickel, weit über Westfalen hinaus bekannt und inzwischen auch in aller Welt käuflich.
Das Elbogener Pumpernickel fällt wie das Fichtelgebirgs-Pumpernickel jedoch aus dem Rahmen. Bei der Elbogener Variante handelt es sich um einen Pfefferkuchen, der eher einem Lebkuchen ähnelt. Der „K. u. k. Hoflieferant“ Karl Schmelzer hat das Gebäck in der Stadt ab 1823 produziert und verkauft. 1945 musste der Betrieb schließen. Doch seit 2016 ist das Elbogener Pumpernickel wieder erhältlich, mit Honig, wahlweise mit oder ohne Zuckerglasur, mit Mandeln, Nüssen, kandierten Früchten, Ingwer oder Rum. Das Galerie Café am Marktplatz in Loket stellt die Spezialität nach dem Originalrezept in der hauseigenen Backstube her.
Zurück zu Loket! Die Stadt liegt malerisch auf einem Granitmassiv, das von drei Seiten von der Eger umflossen wird. Aus dieser Lage ergab sich auch der deutsche Name Elbogen. Bis 1945 sprach man in diesem Teil des Böhmerlandes nämlich in der Hauptsache Deutsch. Die Geschichte der Stadt geht belegt bis 1234 zurück.
Es ist ein überaus malerisches Städtchen, und die Burg mit der Porzellansammlung der Stadt ist sehenswert. Eine Familie Haisinger bereitete sich 1815 planmäßig auf die Porzellanherstellung vor. Nachdem die Söhne Theorie und Betriebspraxis in der Wiener Manufaktur und nach Studienreisen in keramischen Betrieben in Deutschland, Frankreich und Holland erlangten, gründeten sie in Elbogen eine Porzellanfabrik. Begünstigt wurde dies durch die reichhaltigen Kaolin Rohstofflagestätten von guter Qualität in Böhmen. In wenigen Jahren wurde die Manufaktur von Loket weit über die Grenzen des Landes hinaus bekannt.
Und eben in dieser Burg gab es auch eine Vitrine mit den typischen Verpackungen von Pumpernickel. Im Ort gibt es keine Bäckerei mehr, niemand kannte Pumpernickel. Ich musste lange suchen, bis ich die Erklärung fand.
Nicht weit entfernt von Loket liegt der kleine Ort Chlum Svaté Maí – oder Maria Kulm, wie er einstmals auf Deutsch hieß. Die Legende berichtet, dass in längst vergangenen Zeiten ein müder Metzgergeselle an einem Sommertag im Schatten eines Haselbusches am Hang des Chlumer Hügels einschlief. Als er aufwachte, erblickte er in der Mitte des Haselstrauches eine kleine Statue der Jungfrau Maria mit dem Kinde und nahm sie mit nach Hause. Am darauffolgenden Tage wollte er sich die Statue ansehen, jedoch konnte er sie nirgends finden. Erst nach langem Suchen gelangte der Geselle zum Haselstrauch, zu welchem die Statue allein zurückgekehrt war. Der Geselle verstand diese Begebenheit als Zeichen Gottes, ließ die Statue an ihrem Platz und über ihr ein hölzernes Dach errichten, das sie vor der Ungunst des Wetters schützen sollte. Bald darauf geriet die Statue in Vergessenheit. Zum Ende des 13. Jahrhunderts entdeckte sie jedoch ein Fassbindergeselle, dem die Jungfrau Maria erschien, als er sich in diesem Landstrich verirrte. Sie zeigte ihm den Weg nach Hause, nachdem er versprochen hatte, für seine Sünden Buße zu tun. Diesmal entstand über der Statue eine hölzerne Kapelle, zu der die Gläubigen pilgerten. Bald entwickelte sich der Ort zu einer Wallfahrtsstätte, die Pilger von nah und fern anzog. Und so wie die Wallfahrtskapelle im größer wurde, wuchs der Ort um diese Kirche und zog Handwerker an. Die bedeutendsten Zünfte waren die Schuster, Weber, Bäcker, Metzger und Lebzelter, deren Produkte hauptsächlich bei den Kulmer Wallfahrten Absatz fanden.
Die wohl größte Ehre von den Produkten der Kulmer Handwerker wurde einer besonderen Art von Lebkuchen zuteil. Das Rezept für seine Herstellung war das Werk des hiesigen Lebzelters Josef Mürling, der von seiner 1815 angetretenen Gesellenreise in Deutschland einige Anregungen dafür mitgebracht hat. Nach der Rückkehr zu Hause begann er, diesen herzustellen und verkaufte ihn bei den Kulmer Wallfahrten unter dem Namen „Pumpernickel“. Jedoch bereits im Jahre 1828 übersiedelte er nach Loket, wo er sich einen neuen Betrieb einrichtete. Und dass ich ergebnislos dort gesucht habe, liegt daran, dass die Produktion 1945 eingestellt wurde.
Am Abend gab es dann keinen Pumpernickel, sondern Hasenrücken in Weichselsauce.
Zutaten für 2 Personen
1 Hasenrücken
1 Zwiebel
20 g fetter Speck
¼ l Rotwein
Salz und Pfeffer
Thymian (gerebelt)
3 Wacholderbeeren
1 Nelke
1 Lorbeerblatt
1 Glas Weichseln
Grüner Pfeffer
1 Saucenlebkuchen
Creme fraiche
Zubereitung
Zwiebel abziehen und fein hacken. Speck in kleine Würfel schneiden und in einer Pfanne auslassen. Den Hasenrücken und die Zwiebelwürfel darin anbraten und mit dem Rotwein ablöschen. Mit Salz, Pfeffer, Thymian, zerdrückten Wacholderbeeren, Nelken und Lorbeerblatt würzen. Saucenlebkuchen zerbröseln und zugeben. Pfanne verschließen und ca. 20 Minuten bei geringer Hitze garen. Fleisch auf eine Platte legen und warm stellen. Die Sauce durch ein Sieb streichen, mit Weichseln und etwas vom Saft und Pfefferkörnern aufkochen lassen und mit Creme fraiche verfeinern.
Hallo, derzeit produziert ein kleines Café in loket wieder pumpernikel. Dieser ähnelt Lebkuchen. Grüße e. Günther