Wo Lukullus Plattdeutsch spricht

Die Küche meiner Kindheit war geprägt von den deftigen Gerichten des Münsterlandes und des Ruhrgebiets. Sie war herzhaft und ehrlich, liebte keine Umwege und es fehlte ihr an raffinierten Feinheiten. Und doch hatte jede Köchin ihre  Geheimnisse, es gab die kleinen Besonderheiten. Beim Nachbarn schmeckte es immer besser als daheim.

Im Frühjahr gab es Heggengemös, Knisterfinken und später dann die Dicke Bohnen. Am Nachmittag buk die Großmutter manchmal Püfferkens und zu Fastenzeit Struwen. Stemmelkort, Möppkenbrot und Schlodderkappes – das sind alles Gerichte, die mir heute noch das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen.

Manchmal gingen wir ins Gasthaus zu Mutter Stuff oder zum letzten Wolf – und wenn wir in Münster waren natürlich zum Pinkus. Auch hier gab es die gleiche heimische Küche und in den gemütlichen Gaststuben standen so sinnige Sprüche wie: „Friätt di satt und sup di dick un haoll de Mul von Politik“ am Balkenwerk der Decke. Ja diese schlichten, bescheidenen Gasthäuser mit verbindlichen Wirten. Auf richtigen Binsenhockern kann man da sitzen, vor richtigen Tresen, die Arme aufgestützt, mit Bauern in einer Reihe – und Gott, das Wetter und die Schützenfeste geben immer Gesprächsstoff genug. Manche Gasthäuser nannten einen Biergarten ihr Eigen, wo ein buntgemischtes Völkchen sitzt. Frisches Bier fließt in Strömen, auch rinnt der unnachahmliche milde Korn des Münsterlandes, 32 erträgliche und bekömmliche Prozente stark. Es riecht nach Heu und Getreide, nach Grün und mitunter fällt einer mit seinem Stuhl hintüber in eine weiche Hecke.

Und hier findet der Gast auch noch solch eine Spezialität wie das „Töttchen“. Zunächst probiert er es skeptisch, später begeistert und hat damit unzweifelhaft das berühmteste Gericht des Münsterlandes kennengelernt. Nach altem Rezept wurde es aus Kalbskopf und diversen Innereien zubereitet, heute ist meist nur bestes Kalbfleisch die Grundlage.

Töttchen und Wurstebrot, Große Bohnen mit Speck, Grünkohl mit Mettwurst, Stilmus mit Pfannekuchen, Wurstebrot und Pumpernickel: eine deftige, eine kräftige, eine prächtige Küche. Und hin und wieder finden sich noch Wirte, die diese Herrlichkeiten zubereiten.

Inzwischen hat auch im Münsterland und im Ruhrgebiet eine neue Küche Einzug gehalten, hat diese Gerichte verfeinert und zu neuem Leben erweckt. Hat mit den gleichen Zutaten Neues erschaffen und dabei nie ihre Wurzeln vergessen.

Darum wird es in diesem Blog nur manchmal um die Küche meiner Kindheit gehen. Ich werde meine Kochexperimente vorstellen und über Küchengeschichten sinnieren. Aber eines ist mir geblieben, dass man Essen mit Leib und Seele genießen muss. Und darum halte ich mich an ein altes Wort, das an Pinkus‘ Balkendecke steht:

Dat man dat Drinken nicht to bieten bruk,
Dat is doch mähr äs prächtig.
Ick faoll de Hände üövern Buk
Un priese Gott andächtig.

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