Wirtshausklassiker aus Tschechien

Vor einem Jahrzehnt hatte ich in diesem Blog schon über den Kaiserwald im Bäderdreieck in Tschechien geschrieben. Ein Landstrich mit einsamen Wäldern voller Pilze, mit Mooren, Hochebenen, romantischen Tälern und kleinen Städtchen und natürlich auch mit seinen Kurbädern, die immer noch einen Charme vergangenen Zeiten erahnen lassen. Mich hat Tschechien, sowie auch andere osteuropäischen Länder immer fasziniert. Vielleicht, weil sie lange Jahrzehnte kaum zugänglich waren.

Um ein fremdes Land zu begreifen und erfahren, fast im wörtlichen Sinne, gibt es verschiedene Wege. Wenn ich an Tschechien denke, fallen mir sofort die großen Gestalten seiner Geschichte ein: Tycho Brahe, Johannes Hus und so viele andere.  Ein Land voller Kultur mit Komponisten wie zum Beispiel Smetana und Dvorak, – Schriftsteller, die ich immer wieder lese: Bohumil Hrabal, Pavel Kohout, Franz Kafka – um nur wenige zu nennen.  Viele Wege führen zum Verstehen eines Landes. Ich erlebe die Kultur eines Landes auch in seiner Küche. Diese möchte ich erspüren. Mich interessieren nicht die Gangfolgen in den Schlössern und Palästen. Ich möchte das probieren und schmecken, was bei den kleinen Leuten täglich – oder auch feiertäglich – auf den Tisch kam. In den Cafés der Hotels, die im Zuckerbäckerstil die Promenaden der mondänen Kurbäder säumen, lernte ich die Mehlspeisen kennen, die einfach dorthin gehören. Mehlspeisen, die ich nur aus der Literatur kannte, weil auch sie aus einer vergangenen Zeit stammten und hier bei uns nicht mehr angeboten wurden, zum Teil waren sie zu aufwendig in der Herstellung.

Dieses Mal wollte ich aber die ländliche Küche erleben. Und damit meine ich nicht nur Schweinebraten mit diversen Knödeln und Kraut, sondern die kleinen Speisen, die oft gar nicht so klein sind und als Wirtshausklassiker durchgehen. Diese Kleinigkeiten, die man zum Bier – oder auch Wein – bestellt. Tschechien hat wunderbare Weine – aber Bier und Böhmen, das gehört einfach zusammen. Und wo man gesellig in Gasthäusern zusammenkommt, um das ein oder andere Glas zu trinken, braucht man dafür auch meist eine gute Grundlage. Da spielt es keine Rolle, ob man lieber herbes helles Bier nach Pilsener Brauart oder das sanfte dunkle Bier mag. Hunger verspürt jeder nach einer Weile.

Vor vielen Jahren war ich Gast in dem kleinen Ort Bečov nad Teplou und kehrte dort im Gasthaus Hradní Bašta ein. Eine Hochzeitsgesellschaft nach der anderen zog an uns vorbei. Ziel war das nahe Schloss, dass ein beliebter Ort zum Heiraten ist.

Majestätische blickt die Burg auf dem hohen Felsen inmitten des tiefen Tals über dem Fluss Teplá mit ihren Gebäuden aus verschiedenen Jahrhunderten auf einem Felsenrücken hinab auf dieses malerisch gelegene Städtchen. Sie bewachte die Kreuzung der wichtigen Handels- und Landeswege. Inzwischen ist das Schloss und auch die Stadt renoviert und ich erinnerte mich gerne an das Restaurace Stará Pošta. Während in den mondänen Bädern kaum Wirtshausklassiker angeboten wurden, solle ich hier fündig werden. Was bot sich also mehr an als ein erneuter Besuch.

Die Italiener haben Spaghetti, die Russen Borschtsch, die Slowaken Halushky kleine Kartoffelmehlklöße mit Speck und Kohl) und die Tschechen haben nicht nur Knödel und Schweinefleisch, sondern auch ein Gericht, dessen Name verdächtig klingt:

Utopenec – die Ertrunkenen.

Das sind Würste, die süß-sauer in einer Salzlake mit den verschiedensten Gewürzen eingelegt sind. Diese kulinarische Spezialität ist einer der Höhepunkte, wenn man sich zum Bier trifft. Es gibt eigene Utopenec-Festivals und Wettbewerbe, bei denen sich die Konkurrenz um die Zutaten streitet, die sie zwischen die Würste liegen. Manche Feinschmecker fügen Senf und Öl hinzu, andere Paprika mit gemahlenem Pfeffer oder Ketchup und Worcestershire-Sauce. Schließlich müssen sie gut eine Woche im Kühlschrank reifen, bevor sie verzehrt werden können.

Das Besondere an dieser Wurst ist, dass sie sogar einen eigenen Erfinder hat. Erfunden hat diese Spezialität angeblich der Kneipenwirt und Müller Šamánek aus der Gegend von Beroun westlich von Prag. Er soll überlegt haben, wie sich Speckwürste auch ohne Kühlschrank aufheben ließen, damit er sie zum Beispiel noch einem Monat später seinen Gästen vorsetzen könnte.  So hat er vor hundert Jahren begonnen, Würste in Marinade für saure Gurken einzulegen. Und damit nicht genug, im Laufe der Zeit fügte er auch Zwiebeln und andere Zutaten hinzu. Kein Wunder, dass seine Kneipe berühmt wurde. 

Wer die Gelegenheit hat, die Würste direkt in Tschechien einkaufen zu können, um diese beim Grillen oder zum selber einlegen zu verwenden, sollte nach  „Spekáček“ suchen. Die Zusammensetzung der „Spekáček“ wird durch eine Norm garantiert, die jedoch nicht für Produkte gilt, die mit den Worten „burty“, „vürty“, „campfire“ oder „brater“ gekennzeichnet sind. Ein richtiger Spekáček muss mindestens 40 % Fleisch (es kann Schweine-, Rind- oder Kalbfleisch sein und darf nicht maschinell getrennt werden) und höchstens 45 % Fett enthalten. Hochwertigerer Speck enthält etwa 70 % Fleisch und 20 % Fett. Der Spekáček schrumpft beim Braten nicht in zwei Hälften, er verdreht sich nicht und reißt nicht.

Die zweite Spezialität hat ebenfalls einen bildhaften Namen: Nakládaný Hermelín – Hermelin.
Der typische Käse in Tschechien ist ein Weichkäse, der dem französischen Camembert nicht unähnlich ist. Gewürzt und gefüllt wird er in Öl & Knoblauch eingelegt. Sein Name erinnert daran, dass die tschechischen Könige einen Umhang aus weißem Hermelinpelz hatten.

Dieser Käse hat es in sich. Der Käse wird innen mit Knoblauch, Zwiebel und Gewürzen gefüllt und dann einige Tage in Öl eingelegt. Serviert wird er in der Ölmarinade und mit kräftigem tschechischem Landbrot. Perfekt passt dazu das typisch bittere Pilsener Bier.

Mein Favorit ist allerdings eine etwas besondere Suppe: Pivovarská česnečka se šunkou, sýrem a opečeným chlebem oder kurz “Knoblauchsuppe.

Die česnečka ist eine klassische Suppe, leicht, aber reich an Geschmack. Diese klare Knoblauchsuppe aus Hühnerbrühe wird mit frischem Knoblauch angereichert. Dazu kommen auch Kartoffeln, getrockneter Majoran, Käsewürfel und einige Lorbeerblätter hinzugefügt. Vor dem Servieren gibt man noch angeröstete Croutons aus altbackenen Brotscheiben hinein.

Das Geheimnis des Geschmacks einer leckeren Knoblauchsuppe liegt darin, dass die Zutaten zuerst angebraten sein müssen sein. Dabei sollte man keine Angst vor Röstaromen haben!

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Eine Antwort zu Wirtshausklassiker aus Tschechien

  1. Ursula Thiel sagt:

    Hallo Töttchen,
    auch wir haben Tschechien und die Slowakei geliebt und haben dort wunderbare Wanderungen gemacht und anschließend geschlemmt. Leider ist mein Mann nicht mehr reisefähig. Kürzlich bin ich auf diesen Blog gestoßen, der Dich interessieren könnte:
    https://www.culina-bohemica.de/rezepte/
    Falls Du auch Süßes magst, kann ich Dir den Medovnik nur ans Herz legen. Macht etwas Mühe, aber die scheust Du ja wohl nicht. Etwas Vergleichbares kannte ich bislang nicht.
    Deine Fotos lösen wirklich größere Überschwemmungen im Mund aus ;-)
    Ich hoffe, es ist in Ordnung, wenn ich Petra den Link zu diesem Beitrag schicke.
    Sie wird sich sicher freuen.
    Beste Grüße aus Hannover
    Ulla

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