Es sind mehr als 50 Jahre her, als mich die Liebe das erste mal in die Steiermark führte. Mein Schwiegervater liebte die alte unverfälschte steirische Küche, und ich hatte Mühe, dies alles wert zu schätzen. Zu den besonderen Speisen gehörten Gerichte aus Buchweizen. Buchweizen gab es in der westfälischen Küche auch, aber ganz anders zubereitet, und ich war der westfälischen Küche sehr verhaftet. Ach, hätte ich doch damals die Einsicht gehabt, was für köstliche Gerichte auf den Tisch kamen. Heidenknödel aus dem Mürztal hatten es mir besonders angetan.
Die Hoad’nknödel sind eine Mischung aus Semmelwürfeln und Buchweizenmehl, den Geschmack gibt gerösteter Speck, und ursprünglich wurden sie ebenso wie die Mehlknödel zur Selchsuppe gegessen. Obwohl im steirischen Mürztal der Buchweizen nicht wirklich Tradition hat, so kommt dieses Rezept aus der Gegend. Schmecken tut‘s allemal.
Damit wir mit einem Missverständnis gleich aufräumen: Buchweizen ist kein Getreide, sondern ein Knöterichgewächs und vielmehr mit dem Spinat verwandt. Und daraus lassen sich ganz vorzügliche Knödel machen.
Sogenannte Mehlknödel gehörten fest zum bäuerlichen Mittagstisch, waren ständige Begleiter an den Fleischtagen und in Form von Einbrennknödeln eine klassische Fasttagsspeise. Meist wurden sie in einer „leeren“ Selchsuppe gekocht und wahlweise mit Schmalz – dort, wo es Schweinehaltung gab – oder mit Butter – dort, wo eher Milchwirtschaft daheim war – verfeinert. Gesund ist so eine Selchsuppe nicht. Selchfleisch wird mit Pökelsalz behandelt, das Nitrat und Nitrit enthält. Beides ist wasserlöslich, Krebs erregend und Nitarte wie auch die Nitrite kommen schließlich in die Suppe. Darum gebe ich heute die Heidenknödel in eine Rindsuppe.
Den Namen Heidenmehl erhielt der Buchweizen, weil ihn angeblich heidnische Völker aus dem Osten mitbrachten. Die erste Hälfte seines irreführenden Namens verdankt er seinem Aussehen, die Früchte erinnern an Miniausgaben von Bucheckern.
Buchweizen stammt ursprünglich aus Sibirien. Manche Funde belegen auch, dass eine ähnliche Pflanze schon in der Bronzezeit in Europa angebaut wurde. So richtig bekannt bei uns ist der Buchweizen seit dem Mittelalter. Vermutlich fand er mit den Eroberungszügen der Sarazenen seinen Weg zu uns. Die genügsame Pflanze liebt leichte Sandböden und wirft selbst auf kargen Heideäckern relativ hohe Erträge ab.
Einen guten Ruf hatte der Buchweizen trotzdem lange Zeit nicht, da er ausschließlich als Armeleuteessen galt. Das Schälen der kleinen Körner erledigte man während der kalten Jahreszeit. Dazu wurde der Buchweizen um den warmen Stubenofen herum ausgebreitet. Mithilfe schwerer Holzschuhe behandelte man die Körner anschließend so lang, bis die Schalen abfielen. Man kann sich also gut vorstellen, wie am Ende der Hoad’nbrei übrigblieb, der auch gleich in Milch oder Wasser zu einer kräftigen Mahlzeit gedünstet wurde.
In der Küche war das Heidenmehl vor allem für den Sterz im Einsatz. In alten Rezepten findet man auch die Empfehlung, das Mehl bei geringer Hitze ein wenig trocken anzurösten oder eigentlich bloß zu erwärmen, bis es seinen wunderbar nussigen Geruch entfaltet.
Zutaten:
70 g geräucherten Bauchspeck, 150 g Heidenmehl, 120 g Knödelbrot (gewürfelte, getrocknete Semmel, Salz, Petersilie, 2 Eier, 375 ml kochendes Wasser
Zubereitung:
Den Speck in kleine Würfel schneiden, in einer Pfanne langsam knusprig braten und mit Heidenmehl, Knödelbrot, Salz und Petersilie vermengen.
Die Zutaten mit kochendem Wasser übergießen und schnell durchmischen. Die Eier versprudeln und unter die Masse kneten.
Salzwasser in einem großen Topf zum Kochen bringen. Aus der Masse nicht zu große Knödel formen und 12 Minuten lang unter dem Siedepunkt garen.
Die Hoad’nknödel schmecken sehr gut in einer Rindssuppe, die mit Gemüse serviert wird.