Am vergangenen Samstag habe ich im WDR 3 „Kochen mit Martina & Moritz“ gesehen. Lieblingsgerichte aus der Ruhrpottküche, Deftiges aus einfachen Zutaten. Irgendwie bekomme ich dann immer Heimweh und andererseits ärgere ich mich, was doch manches mal für ein Unsinn verzapft wird. Gewürze werden verwendet, die in der klassischen Ruhrgebietsküche unbekannt waren. Doch dieser Schmelztiegel Ruhrpott verändert sich so schnell, dass ich mich dann frage: „Bin ich schon so alt, dass ich diese Veränderungen nicht mehr mitbekommen habe?“ Genau das wird es sein. Was sich aber nicht ändert, nur einem leichten Wandel unterliegt, ist die Sprache.
Ich bin ja kein Kind des Ruhrgebietes, sondern wuchs an der Nahtstelle Ruhrpott / Münsterland auf. Plattdeutsch war mir gängig, Ruhrgebietsdeutsch hörte ich dann erst in der Schule. Noch mehr davon später beim Jobben, als ich in den Semesterferien Aushilfspostbote in einer Bergmannssiedlung war. Nicht einmal, nein viele Jahre. Damals hatten die Postboten noch einen festen Bezirk, und wenn der Stammzusteller dann die Grippe bekam, frug die Post schon mal nach, ob ich auch mal während des Semesters für 4 oder 5 Tage kommen konnte. Das Studium war nicht so reglementiert wie heute, und ein paar Mark brauchte man auch immer. Ja, so ein Postler kannte seinen Bezirk und der kleine Schwatz mit den Kunden gehörte dazu. Briefe kamen ohnehin nur wenige in solch einer „Kolonie“, aber am Dienstag und Freitag war die Tasche voll. Da standen die Rentner schon am Gartenzaun. Am Dienstag kam die Kleintierzüchterzeitung und am Freitag was es die Taubenzüchterzeitung. Waren sie doch alle Mitglied in der ReiseVereinigung 11 Viktoria und schickten am Wochenende ihre Tauben auf die Reise. Und das gab Gesprächsthemen.
Kein Mensch hätte damals zu einem kleinen Schälmesser, Messer gesagt. Das war ein Hümmelchen. (Die Guten hatten die Windmühle drauf, und billige Messer aus China gab es noch nicht.)
Und ein kleines Butterbrot war ein Bütterchen, oder auch Bütterken genannt. (Ich happ dich das Bütterken ganz dick mit die gute Butter gemacht!) -und es gab die Stulle: ein belegtes Brot und ganz typisch für das Ruhrgebiet – die Kniffte (auch Knifte). Die Kniffte ist ein in der Mitte gefaltetes Butterbrot zum ‚aus der Hand‘ essen. In der Regel war die „Kniffte“ belegt, aber in schlechten Zeiten gab es sie auch „mit ohne Firlefanz“, dann war im besten Fall Butter, im schlechten Fall Margarine drauf. Und die Kniffte war dick geschnitten, weil sie ja auf der Arbeit sättigen sollte. (Zu Weihnachten kricht unse Anna ne Brotmaschine geschenkt, damit datt mitte Knifften endlich ma aufhört. Vonne Hand dünne Schnitten schneiden, datt lernt die nämich nie.)
Und da sagen die Moderatoren in der oben erwähnten Fernsehsendung, das Wort hat seinen Stamm daher, dass dies zwei Schnitten Brot sind (die waren auch viel zu dünn und mit Bratkartoffeln belegt) die zusammengekniffen werden, damit man das Brot ohne Verlust des Belags essen kann. Die Herkunft des Wortes Kniffte ist ungeklärt, es könnte aus dem Jiddischen stammen, sagen Sprachforscher. Ich glaube aber an die Übernahme vom plattdeutschen Wort kniffen, das die Bedeutung von „falten“ hat. In meinem Wörterbuch der westfälischen Mundarten wird es auch als kniwweln (Westmünsterland), falten (Ravensberg, Lippe), kniep (Ostwestfalen) und foolt (Holstein / Hamburg) beschrieben. Aber dieses Bemühen im Fernsehen der Sache einen Sinn zu geben, tut ja fast weh. Noch ein Wort zu den Bratkartoffeln. Das hat es sicher auch gegeben, aber der klassische Kartoffelbelag waren die restlichen Reibekuchen vom Vortag.
Und ich war immer felsenfest davon überzeugt, dass Kartoffelpuffer auf Brot eine norddeutsche Schweinerei sind. Meine Mutter stammt von dort und kochte früher viele Gerichte, die ich völlig normal fand, die zum Essen eingeladenen Schulkollegen aber in helle Aufregung stürzte. So musste ich lernen, dass die meisten Schweizer Kartoffelpuffer in der Regel mit salzigen Beilagen essen. Apfelmus wird höchstens den Kindern zuliebe gereicht und auf Brot geht gar nicht. Von Snuten un Poten fangen wir erst gar nicht an zu reden…
Oh ja, so etwas kenne ich. Aber Apfelmus ist ein MUSS. Und lass uns nicht von Snuten und Poten reden, sonst kommt wieder das Heimweh.
Genau das Messer hatte ich auch ziemlich lange. Und Kniften heißen bei uns auch Kniften, obwohl Herr H. Nordnordfriese ist und ich Nordostniedersächsin. Keine Ahnung, wie der Begriff zu uns gefunden hat. KNiften gab’s auf jeden Fall immer mit in den Außendienst, meist mit Butter und Käse und ganz selten mit einer Scheibe Salami zusätzlich. ;-)
Liebe Grüße,
Eva
Ein Wort das geht auf Reisen – aber Spaß bei Seite. Diese kleinen Messer sind schon wunderbar.
Du sprichst mir aus der Seele, das mit der „Knifte mit gebratenem Kartoffelsalat“ habe ich voller Grauen sogar meinem Mann erzählt, so etwas schauerliches wie gebratenen Kartoffelsalat und den dann noch auf’s Brot, meinetwegen auf die Knifte, vermag ich mir wirklich nicht vorzustellen. Und davon habe ich auch noch nie gehört, weder in Schwerte noch in Dortmund, schon gar nicht in Lüdenscheid. Was ich allerdings bis heute sehr liebe, sind kalte Reibeplätzchen auf Graubrot mit Butter (natürlich „guter“), und das nach 35 Jahren Schwabenland. Schon komisch, aber sie müssen einfach kalt sein.
Und ohne das Hümmelken wird niemals meine Küche auskommen müssen.
Liebe Grüße
Carmen
Salat aus Bratkartoffeln hab ich schon mal in Hagen bekommen, das war eigentlich gut. Aber Kartoffelsalat braten? Nee, das gibt es nicht.
Liebe Grüße Toettchen
Schöner Beitrag! Aber vergeßt nicht das Rübenkraut auf den Reibenplätzchen in der Knifte. Ehrlich gesagt fand ich das immer eine leckere Kombination.
Viel Grüße,
Walter
Ehemals aus der Kolonie am Daberg.