Badisches Schneckentöpfle – Fastenspeise!

Heute einmal wieder ein Rezept aus meiner badischen Wahlheimat. Als ich vor nahezu 35 Jahren an den Untersee zog, wurden Schnecken noch wild in Feld und Flur gesammelt. Einmal in der Woche kamen die Schneckenaufkäufer ins Dorf und kauften die „Jagdbeute“ auf. Auch damals gab es bereits Schneckenzuchten, die heute dominieren. Die badischen Zuchtbetriebe belieferten schon seit Jahrhunderten die Königshäuser Europas. Ebenfalls waren Weinbergschnecken bei den Mönchen im Mittelalter populär und Schneckenrezepte finden sich in vielen alten Klosterkochbüchern.
weinbergschnecke
Dass Schnecken und Froschschenkel vom gemeinen Volk gegessen wurden, war aber in der Not der badischen Kleinhäusler begründet. Der Winter war hart, und die Vorräte gingen zur Neige. Fleisch war Mangelware. Wenn dann der Schnee weg war, ging man an Bächen entlang auf die Suche nach Schnecken. Die verkriechen sich im hohen Gras und halten, verschlossen mit einem Kalkdeckelchen ihren Winterschlaf. Zwei ältere Nachbarn erzählten mir, wie sie als Kinder gehen mussten, um Frösche und Schnecken zu sammeln, die die Mutter dann zubereitete. In mageren Zeiten hatte das Fleisch der zierlichen Schnecken eine kärgliche, dennoch bedeutende Proteinquelle zu bieten.
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Heute müssen wir nicht mehr hungern, aber der Brauch Schnecken und Frösche zu essen ist geblieben. Da Schnecken weder als Fisch noch Fleisch gelten, werden sie besonders gern zur Fastenzeit gegessen. Diese Tradition ist besonders in der Region des Linzgau, Hegau und auf der Baar im südlichen Schwarzwald lebendig. Die Nachfrage steigt in dieser Zeit deutlich. „Ungeziefer“ heissen sie dann in der Fastenzeit. Froschschenkel dagegen findet man heute kaum noch auf den Speisekarten.
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Bereits die Römer haben Schnecken gegessen, woher wohl auch ihr englischer Name „Roman snail“ stammt. Im Mittelalter galten Schnecken in den Klöstern als deliziöse Fastenspeise. In speziellen Schneckengärten wurden sie gezüchtet. Doch das Fastenverhalten in den Klöstern war oft nicht so ausgeführt, wie es als spirituelle Übung gedacht war. Das bekannteste Gericht, dass für Fastenzwecke erfunden wurde sind wohl die Maultaschen – oder treffender „Herrgottsbescheißerle“. In mehreren seiner Geschichten und Gedichte schreibt Wilhelm Busch zum Fastenverhalten des Klerus und des Mönchstums. Seine Kritik dazu war so prägnant, dass manche seiner Geschichten in Österreich verboten wurden. In ihnen wird die „Last des Fastens“ hervorgehoben.

Man rechnet meistens zu den Lasten
Das kirchliche Gebot der Fasten;
Man fastet, weil man meint, man muss.
Für Toni aber war’s Genuss! –
Bouillon und Fleisch und Leberkloß,
Das war ihm alles tutmämschos.
Dagegen jene milden Sachen,
Die wir aus Mehl und Zucker machen,
Wozu man auch wohl Milch und Zimt
Und gute, sanfte Butter nimmt – –
Ich will mal sagen: Mandeltorten,
Dampfnudeln, Krapfen aller Sorten,
Auch Waffel-, Honig-, Pfannekuchen –
Dies pflegt‘ er eifrig aufzusuchen.

Inzwischen haben die Schnecken keine Bedeutung mehr als Fastenspeise. In einer Zeit, in der Fasten als Heilmittel und Schlankmacher betrachtet wird, tritt die spirituelle Bedeutung des Fastens immer mehr in den Hintergrund. Seit diese Schneckenart in freier Wildbahn selten geworden ist, wurde die Zucht der Weinbergschnecke immer wichtiger. In Deutschland steht die Weinbergschnecke sogar unter Artenschutz.
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Da die Zubereitung sehr aufwendig ist, mache ich es mir einfach, ich kaufe die Schnecken fix und fertig in der Dose. Wer die Zubereitung von Grund auf ausprobieren und ein weitres Rezept möchte, dem sei dieser Link zu Blog Chez Marlies empfohlen.

weinbergschnecken_konserveZutaten:
2 EL Butter
1 Knoblauchzehe
1 EL feingewiegter Schalotten
24 Weinbergschnecken aus der Dose
150 g Kartoffeln, geschält und gewürfelt
1/4 l badischer Grauburgunder
1/2 TL Salz
weißer Pfeffer
1 EL gehackter Estragon
150 g gekochten Schinken (0,5 cm Scheibe in 5 mm Würfel geschnitten)
200 g Champignons gewürfelt
200g Rahm
1 EL gehackte Petersilie

Zubereitung
Die Butter in einer Kasserolle auslassen und die Schalotten- und Knoblauchwürfel darin anschwitzen. Die Kartoffelwürfel, das Estragon und die Schnecken zugeben und kurz mitdünsten.
Mit Wein ablöschen, den Schneckensaft dazugeben und mit Salz und Pfeffer würzen. Für weitere 15 Minuten sieden lassen.
Die Schinken- und Champignonwürfel mit der Sahne dazugeben und nochmals 5 Minuten sieden lassen.
Abschmecken und vor dem Servieren die Petersilie zugeben.

Badnerlied

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16 Antworten zu Badisches Schneckentöpfle – Fastenspeise!

  1. Barbara sagt:

    Diese „Last des Fastens“ trage ich gern!
    Rezept und Fotos sind Klasse!

  2. Das ist ein Rezept für meinen Mann. Er wird sich freuen und er hat wieder ein Grund auf Schnecken Suche zu gehen.

    Liebe Grüsse aus meiner Küche

  3. WildeHenne sagt:

    Du hast leider vergessen, gestern die Reste mitzunehmen. Ich habe mir dann Abends noch zwei Löffel gegönnt – aber es ist halt schon so, dass ich da ein bisschen Unterstützung dabei brauche ;-)

  4. Ursl sagt:

    Sehr interessante Fastenspeisen. Da ich Schnecken nicht mag, fällt das Fasten dann besonders leicht.
    LG Ursl

  5. Eva sagt:

    An Schnecken habe ich mich noch nicht heran getraut, aber letztlich sind Muscheln ja auch so eine Art Schnecken, nur dass sie im Wasser leben. ;-)
    Liebe Grüße,
    Eva
    Achja und danke für die sehr informative Geschichte!

  6. Löffel sagt:

    Zwei Dumme – ein Gedanke! Mir war heute auch schrecklich schnecklich: http://www.xn--lffellffelchen-vpbf.de/schneckensuppe/
    Leider werden die Viecher ja immer nur in Knoblauchbutter versenkt. Selten sieht man mal andere Gerichte. Deine (sym)badische Variante muss ich auch noch mal probieren, klingt verdammt lecker. So macht Fasten Spaß (urgs, das soll es ja gar nicht, oder?).

    • admin sagt:

      Ja, wir Badener (nicht Badenser, denn das ist ein schwäbisches Schmipfwort) unterscheiden zwischen badische und unsymbadische. Da zählt die badische Küche schon zu den symbadischen Eigenschaften des Landes. Ich glaube, jetzt füg ich noch das Badnerlied in den Artikel ein, damit die echten Badner aufstehen, die Hand aufs Herz legen und mitsingen können, wenn ihnen beim Fasten das Wasser im Munde zusammenläuft.

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