Zürcher Chatzegeschrei

Vor einigen Tagen bekam ich das Buch „Urchuchi“ von Martin Weiss in die Hand. Der Untertitel lautete: Schweizer Restaurants mit Geschichten und Gerichten. Beim Blättern stieß ich gleich auf Restaurants, die ich bereits einmal oder oder auch mehrere male besucht habe. Und so begann ich gezielt zu suchen.
chatzegeschrei
Vor einigen Dekaden lebte ich kurze Zeit in Zürich, im ehemaligen Arbeiterquartier. Damals spürte man in Zürich 5 noch die Atmosphäre der Arbeitersiedlung. Viele Schweizer waren inzwischen weggezogen, vor allem kamen Italiener nach. Die Langstrasse wurde damals auch „Little Italy“ genannt. Es herrschte für die das biedere Zürich ein schäumendes Leben. Die Waren der Geschäfte wurden auch vor der Tür angeboten und die ersten italienischen Restaurants öffneten die Pforten. Damals war ich oft im „Al solito posto“ in der Gasometerstrasse. Am Sonntag ging es auf die Josefswiese, wo multikulturell gepicknickt wurde, die Kinder wild durcheinander spielten und der Boule Club beheimatet war. Ich spielte Petanque. Und es ist heute auch noch ein Geheimtipp, dort das unbekannte Zürich zu erleben. Nur die Nationalitäten haben gewechselt. Die Südeuropäer sind gewichen und jetzt findet man dort eine Mischung aus Afrika und Südostasien. Es wird immer noch gepicknickt und auch Petanque gespielt. Nur einige der Gaststätten und Geschäfte schienen sich jetzt in eine andere Welt verirrt zu haben.
alpenrose
alpenrose_01Nur wenige Gehminuten von meiner Wohnung befand sich mein Lieblingsrestaurant: die „Alpenrose“. Das kleine Lokal an der Ecke Fabrikstrasse/Limmatstrasse sieht schon außen aus wie eine Schmuckschatulle. Hat sich der Gast ins Innere begeben, verdichtet sich der Eindruck. Das liegt am Charme der ganzen Einrichtung, an der Wärme des Täfers, an der filigranen Glaskunst auf den Fenstern, am Gamskopf an der Wand, an Sprüchen wie «Ob Heide, Jud oder Christ! Herein, was durstig ist», an Plaketten und Affichen aus Zeiten, als Caramel von Klaus und Rössli von Villiger noch alltäglich waren. Am besten gefiel mir immer das Schild: „Hupftanz verboten“.
Und eben diese „Alpenrose“ fand ich in dem Buch Urchuchi wieder. Heute kocht dort Tina Giacobbo. Da ich Zürich 5 immer treu geblieben bin, war ich natürlich auch immer wieder in der „Alpenrose“ und habe alte Zürcher Gerichte genossen. Zu meinem Lieblingsgerichten gehörte „Zürcher Chatzegeschrei“.
paprika
Nun haben aber auf unseren Küchenzetteln Katzen nach einhelliger Übereinstimmung nichts verloren (zumindest offiziell). Ihren Namen haben sie aber dennoch für die eine oder andere Leckerei hergegeben. In Böhmen gibt es einen Eintopf, der Katzenhochzeit heisst. Er enthält Schweinefleisch, weisse Bohnen, Graupen (das sind geschälte, geschliffene und oft gedörrte Gersten- oder Weizenkörner), Champignons und Zwiebeln und wird mit Petersilie und geriebenem Käse bestreut. Katzenzungen sind zungenförmige Backwaren aus Butter, Eiern, steif geschlagenem Eiweiss, Mehl, Milch und Vanillezucker. Die schwäbische Küche nennt in Schmalz gedünstetes Sauerkraut mit Spätzle Katzenschrei. Und da ist schliesslich das Zürcher Chatzegschrei. Es ist ein Einfach-Klassiker: Ghackets mit Hörnli. Es gibt so viele Rezepte, wie es Zürcher Hausfrauen gibt. Wie das Gericht zu seinem etwas ordinären Namen kommt, weiß man nicht. In der Alpenrose wird es von Tina Giacobbo mit Hörnli serviert. In Familien wird es aber auch mit „Gschwellti“ gegessen, wie der Schweizer Pellkartoffeln nennt. Das Chatzgeschrei ist ein kulinarisches, die Geschmackssinne schärfendes Erlebnis.

Zutaten:
2 gelbe und 2 rote Peperoni (Paprika)
2 Zwiebeln
8oo g gehacktes Zweierlei (Rind/Schwein, wenn möglich BIO-Qualität)
Öl
Salz und Pfeffer,
Paprikagewürz edelsüß
Paprikagewürz scharf
4 dl Fleischbrühe
2 dl Sauerrahm
600g Hörnli
Butter
1/4 Bund Petersilie

Zubereitung:
Die Paprika in kleine Würfelchen schneiden und die Zwiebeln fein hacken.
8oo g Gehacktes (Rind/Schwein, wenn möglich BIO-Qualität) in Bratöl gut anbraten bis es die rote Farbe verloren hat.
Paprika- und Zwiebel-Würfelchen zufügen und mit Salz, Pfeffer, Paprika und etwas scharfem Paprikagewürz würzen und ein paar
Minuten dünsten. Mit der Fleischbrühe ablöschen und ca. 1/4 Std. köcheln lassen.
2 dl Sauerrahm dazugeben und noch etwas weiter kochen. Dann nach eigenem Wunsch noch nachwürzen.
600g Hörnli al dente kochen, absieben, in Butter mit der gehackten Peterlsilie schwenken, in Teller verteilen und Chatzegschrei darüber geben.

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39 Antworten zu Zürcher Chatzegeschrei

  1. Susanne sagt:

    Hat mein Auge mich nicht getrogen…..ich hab mir schon beim Anschauen des Fotos gedacht, dass das Gehacktes mit Hörnli ist. Und dabei ist mir eingefallen, dass ich das noch immer nicht gemacht habe.

  2. Paul Riesig sagt:

    Aaah ja, ein herrlich leckeres Gericht. Der Italiener würde allerdings die Nudeln immer zum Geschmacksträger in die Pfanne geben, aufkochen, abschmecken und servieren. Dadurch verbindet sich die Sauce mit den Nudeln und der Geschmack ist einfach „runder“ wie man so schön sagt. :-)
    LG
    Paul

    • WildeHenne sagt:

      Lieber Paul, wir sind hier aber in der Schweiz und nicht in Italien, gelle. Ob Du nun das Katzengeschrei im Teller untereinander wirbelst oder in der Pfanne, ist uns Schweizern einfach schnurz. Schmecken tut es so oder so, glaub mir ;-)

      • Paul Riesig sagt:

        Aaah meine Liebe, schön das Du für Gerd antwortest, so lernen wir uns endlich online einmal kennen. Aaaaaber wie dem auch sei, die Nudeln gehören erst in die Pfanne, dann auf den Teller. Da lasse ich nicht mit mir reden, gelle……….schmunzel! Dachte immer Gerd könnte kochen….kopfschüttel* *grins mir einen*
        LG
        Paul

        • WildeHenne sagt:

          Oh Paul, Du täuschst Dich – ich antworte nicht für Gerd – das kann er schon selber. Ich antworte für uns Schweizer. Und hier gehört das andersrum. Hörnli in den Teller und das Chatzegschrei obendrüber. Wenn Du aber glücklicher wirst, wenn Du das Zeugs im Topf mischst, dann bitte.

    • admin sagt:

      Nun haben ja lange Zeit viele Italiener in Zürich 5 gelebt, und es leben immer noch viele Italiener in Zürich. Aber das ist ein altes Zürcher Gericht, gekocht und gegessen von Urschweizern (und eventuell auch von den Zugezogenen – und darunter eventuell auch Italiener). Und jetzt geht meine Fantasie mit mir durch, denn „der“ Italiener sagte nach dem Genuss von Chatzegeschrei: „Mama mia, diese cheibe Schweizer, machen Pasta besser als Mama und dann diese Sugo Zurigo, fantastico!“
      Ich hab’s zu Kenntnis genommen.
      LG Gerd

  3. Eva sagt:

    Gerd! Woher hast du diese phänomel hübschen Paprika? Habe ich hier noch nie gesehen, selbst am Samstag im Feinkostgeschäft nicht.
    Biofleisch ist Ehrensache.
    Und die Hörnli, puh, hätte ich das bloß gelesen, bevor ich mich heute absolut rat- und planlos ans Essenkochen machte. Jetzt gibt’s gleich Couscous mit Tomaten und Zucchini und – mal sehen. *gähn*. Naja, dafür bekommt die nächste Torte danach den letzten „Lack“. :-)
    Liebe Grüße,
    Eva

  4. Arabella50 sagt:

    Guten Abend, verehrter Herr Toettchen,
    was ist Hupftanz?
    Ihr Gericht gefällt mir sehr und ich mag die liebevolle Sorgfalt mit der Sie die passenden Teller auswählen.
    Liebe Grüße, Arabella

    • admin sagt:

      Guten Morgen liebe Frau Arabella,
      zum Hupftanz gehört zum Beispiel die Polka. Der Hupftanz ist weit verbreitet, so wird er bereits bei Shakespeare in „Viel Lärm um nichts“ erwähnt. Im Dritten Akt sagt Beatrice: „Bewerbung, Heirat und Reue sind wie ein schottischer Hüpftanz, eine Sarabande und eine Grave.“ Man kann wohl Hüpftanz mit Hupftanz gleich stellen und es als Schweizer Mundart sehen.
      Liebe Grüße Toettchen

  5. WildeHenne sagt:

    Die Bilder sind toll geworden. Schön auch der «Garten» im Hintergrund – immer wieder eine Freude! :-)

    Hörnli und Ghackets mochte ich als Kind schon sehr gerne. Dazu nicht etwa Salat sondern Apfelkompott. Chatzegschrei ist allerdings ein schrecklicher Name… also wenn ich mir die Tonspur in Deinem Beitrag anhöre… *graaaaausig* ;-)

  6. Basler Dybli sagt:

    Seelenfutter pur – ich liebe es !
    Die Reihenfolge zuerst Hörnli und darüber das „Ghackets“ ein Muss. Dazu Apfelkompott sowieso !
    Der guten Ordnung halber muss noch erwähnt werden, dass die drei Komponenten ausschliesslich und nur mit einem Esslöffel gegessen werden ! Messer und Gabel zu verwenden ist ein absolutes „No-Go“ unter Puristen.

    • admin sagt:

      Ein Kenner! Richtig, mit dem Löffel muss es gegessen werden.

    • Basler Dybli sagt:

      P.S. Wie ich zudem feststelle, haben die „Ziircher“ eine andere „Hörnliform“ wie die Basler … ;-)

      • admin sagt:

        Das weiß ich nicht, ob die „Ziircher“ eine andre Hörnliform haben. In der Migros wird sie wohl überall gleich sein. Diese Hörnli aber sind aus dem Elsass, aus der Manufaktur der Firma Thirion, die seit 1904 Teigwaren in Colmar herstellt. Die Teigwaren der Firma Thirion werden nach traditioneller Methode mit Eiern zubereitet und haben eine extra lange Trockenzeit. Fast 100 Jahre wurden diese Nudeln nur über Bäckereien im Elsass vertrieben. Erst seit einigen Jahren kann man sie auch in anderen Läden kaufen.

        • Basler Dybli sagt:

          Danke für die interessante und ausführliche Erklärung !
          Mein P.S. war eigentlich eher als „Seitenhieb“ Richtung lieberlecker aus „Ziiri“ gedacht, falls er diesen Post ebenso noch lesen sollte. :-)
          Die Mi.gros hat zwei „Hörnligrössen“ (fein und gross) in verschiedenen Qualitäten. Die Älplermagronen sind „sehr lange Hörnli“ und eigentlich ein eigenständiges Produkt. Die auf dem Bild verwendeten Teigwaren sind – zumindest für mich – den „Pipe Rigate“ sehr ähnlich.

  7. Sandra Gu sagt:

    So, gleich mal die Alpenrose vorgemerkt, wenn wir demnächst einen Tagesausflug nach Zürich machen. Und bis dahin gibt es Chatzegeschrei – trifft genau meinen Geschmack :D

  8. lieberlecker sagt:

    Da musste sogar ich als echter Zürcher tief in meine Jugenderinnerungen greifen, bis ich mich wieder erinnerte, was „Chatzegschrei“ auf dem Teller ist. Solche Hörnli gab’s aber bei uns früher nicht (da hat das Dybli schon Recht). Aber fein ist es allemal :-)
    Liebe Grüsse aus Zürich,
    Andy

    • admin sagt:

      Zürich kann man nicht an einem Tag, Zürich muss man in all seinen Facetten spüren. Zu den Hörnli: das habe ich beim Basler Dybli schon richtig gestellt. Das sind keine Zürcher Hörnli!
      Liebe Grüße vom Bodensee

  9. Houdini sagt:

    Ja genau, wie bei WH, mit Öpfelmues derzue. Mit etwas Wehmut schaute ich die Basilikumstaude an im Hintergrund, die wuchsen bei mir nicht gut, nur die 3 thailändischen sog. Basilikum, Grapao, Horapa und Maenglak. Ich gebe nicht auf, werde es wieder versuchen. Superbilder und -bericht.

  10. Jesssasmarandjosef! Ich denk mir, da kommt nix mehr bei deinem Chatzgeschrei zum Abspielen, hab also lauter gedreht … o.o

  11. Bei uns gbits ein Gericht, das Kotzngschroa heißt, ich finde den Namen nach wie vor grässlich – was wahrscheinlich dran liegt, dass ich mir dazu immer gehäckselte Kätzchen vorstelle ;-))

  12. Houdini sagt:

    Noch kurz zum Schweizerdeutsch:
    Gerd schrieb beides, auch das Richtige. WH und Andy, beides Schweizer nehme ich an, schrieben konsequent richtig Chatzegschrei. Ein Geschrei machen wir nur in Standard-Deutsch, Hochdeutsch, wie immer man es nennen will. Das ist eine grundsätzliche Sache, wie bei Basler, gmesse, gnosse, gesse statt Baseler, gemesse, genosse, gegesse, etc. Ich freue mich aber über jeden Deutschen, der sich bemüht, Schwizerdütsch z’rede, ob perfekt oder nicht.

  13. Nun habe ich mich interessiert und geduldig durch die vielen Kommentare gelesen, jetzt fällt mir nur noch ein:

    ICH WILL CHATZEGESCHREI!!!

  14. Therese Seelmann sagt:

    Bei Betty Bossi gibt es das Rezept mit der Zutat von Sultaninen. Wunderbar der Geschmack. So habe ich das Rezept ausprobiert und den 40 Personen für den Seniorenmittagstisch gekocht. Dazu Kartoffelgratin und Spitzkabis. Wunderbar kam das Menu an.

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